Von Thomas Borchert
ZÜRICH/OSLO (BLK) - Zum 150. Geburtstag des Schriftstellers Knut Hamsun am 4. August wird in Hamarøy, nördlich vom Polarkreis, ein Turm als eine Art Denkmal für den Nobelpreisträger eingeweiht. Vielen Norwegern gefällt das überhaupt nicht, weil Hamsun bis zum bitteren Ende 1945 ein Anhänger Hitlers war und mit den nationalsozialistischen Besatzern seiner Heimat kollaborierte. Ob er wirklich der geniale Urvater der literarischen Moderne war, als den ihn so unterschiedliche Anhänger wie Thomas Mann, Albert Einstein und Paul Auster gefeiert haben, kann jetzt in einer Neuübersetzung des 1894 begonnenen Hamsuns-Romans „Pan“ nachgelesen werden.
Der karge, den Sommer über rund um die Uhr taghelle Norden Norwegens, wo Hamsun selbst in Hamarøy zeitweise lebte, gibt den Rahmen für eine eigenwillige Mischung aus verzwicktem Liebesleid, hemmungsloser Erotik, romantisierender Naturbeschwörung, ein bisschen altgriechischer Mythologie und einem bösen Ende im Süden Indiens. Verblüffende Dinge ereignen sich: Um mit einem erfolgreicheren Nebenbuhler mithalten zu können, der ein bisschen hinkt, schießt sich Hamsuns Ich-Erzähler Thomas Glahn mal eben durch den Fuß.
„Pan“ gehört zusammen mit dem Hamsuns Sensations-Debüt „Hunger“ und danach „Mysterien“ zu den „wilden“ Werken des Norwegers. Auch hier ist nicht immer alles logisch, nichts wird erklärt, und Leselust erzeugt vor allem Hamsuns virtuose Fähigkeit, spezielle Stimmungen zu erzeugen und seine Figuren durch nie berechenbare Gefühls-Höllenfahrten zu jagen.
Aldo Keel hat das Buch zusammen mit Ingeborg Keel in ein modernes Deutsch gebracht und ein instruktives Nachwort mit einer schönen Einordnung des Romans geschrieben: „Pan ist ein Buch über das Wesen der Liebe, die weder Gründe noch Verdienste kennt.“
Wer hier zum ersten Mal in den Sog von Hamsuns Suggestionskraft gerät, kann mit dem Nachwort wieder ein bisschen Abstand gewinnen. Da steht nachzulesen, wie übel und dumm der geniale Autor sich den deutschen Nazis andiente. Und nebenbei auch, dass er die in „Pan“ besungene wilde Schönheit des norwegischen Nordlandes für sich selbst doch einfach zu unpraktisch fand. Obwohl die schwere Arbeit auf dem Hof in Hamarøy sowieso nur Ehefrau Marie verrichten musste.
Hamsun entschied sich nach ein paar Jahren Nordland für die Hauptstadt Oslo und ließ sich dort von Marie immer wieder gern im gelben Cadillac herumchauffieren. Seine späteren Bücher fielen dann nicht mehr so wild aus. Gestorben ist Knut Hamsun 1952, verurteilt als Landesverräter und wieder so bettelarm wie die bäuerlichen Eltern im hohen Norden bei seiner Geburt 93 Jahre zuvor.
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