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Handke ganz persönlich

Die erste Biographie über einen der umstrittensten Autoren der Gegenwart..

© Die Berliner Literaturkritik, 01.12.10

München (BLK) – Im November 2010 ist im DVA Verlag eine Peter Handke-Biograhie von Malte Herwig unter dem Titel „Meister der Dämmerung“ erschienen.

Klappentext: Handke ganz persönlich – die erste umfassende Biografie. Peter Handke ist einer der umstrittensten und produktivsten Autoren der Gegenwart. Sein Bild in der Öffentlichkeit ist von Extremen geprägt: Hohepriester der Kunst, einsamer Mönch, Serbenfreund. Wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Bildern? Auch sein Leben erscheint als ständige Gratwanderung zwischen Extremen: zwischen Einsamkeit und Liebe, Menschenscheu und Ruhmsucht, Sprache und Politik, Traum und Welt. Der Journalist und Literaturwissenschaftler Malte Herwig legt die tief ins Leben reichenden Wurzeln dieses Werks bloß wie kein Biograf zuvor. Er führte lange Gespräche mit dem Dichter, dessen Verwandten, Weggefährten und Kontrahenten, und er erhielt Einsicht in Handkes Notizbücher und Korrespondenz. Eine aufschlussreiche und kontroverse Biografie – so kontrovers wie Handke selbst.

Geboren wurde Malte Herwig 1972 in Kassel. Er studierte in Mainz, Harvard und Oxford Germanistik, Geschichte und Politik. In Oxford promovierte er 2002 mit einer Arbeit über Thomas Mann. Herwig arbeitete mehrere Jahre als Redakteur im Kulturressort des „Spiegel“ und lebt heute als freier Journalist in Hamburg. Seine Reportagen und Essays erscheinen in „Die Zeit“, „Weltwoche“ und „New York Times“. Für sein Buch über Thomas Mann, „Bildungsbürger auf Abwegen“, erhielt er 2004 den erstmals gestifteten Thomas-Mann-Förderpreis.

Leseprobe:

 ©DVA Verlag©

Vorspiel im Gasthaus

Klagenfurt, im Frühling 1942. Die junge Maria Siutz genießt das Stadtleben. Für sie bedeutet es die große Freiheit: Tagsüber die Arbeit in einem Hotel. Danach tanzen, sich unterhalten, lustig sein bis in die späten Nachtstunden.

Seit drei Jahren tobt der Krieg, aber hier merkt man nicht viel davon. Die Hakenkreuzfahnen spiegeln sich im Wörthersee, die Führerstimme im Volksempfänger hat noch etwas Beruhigendes, und an Wochenenden herrscht wogendes Gedränge auf dem Adolf-Hitler-Platz.

 Maria geht auf in der neuen Volksgemeinschaft. Sie hat nie verstanden, warum der Vater und die Brüder so stolz sind auf ihre slowenischen Vorfahren. Heimatlose Tagelöhner, Knechte, Wanderarbeiter – eine schöne Ahnengalerie ist das! Nein, sie mußte raus aus dem kleinen Grenzdorf Griffen, wo sie sich bei der Landarbeit die Hände wund scheuerte und keine Zukunft hatte.

 Die Zukunft gehört den Deutschen, das hat sie immer wieder gehört seit 1938. Ganz Kärnten ist deutsch. Sogar an den Bauernhäusern hängen Spruchbänder mit der Aufschrift „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“. In den Stuben mahnen Plakate: „Der Kärntner spricht Deutsch.“ Slowenisch, die Sprache von Marias Vorfahren, ist seit dem „Anschluß“ Österreichs an Hitlerdeutschland verboten.

 An diesem Frühlingsabend hätte Maria ohnehin nicht slowenisch gesprochen. Sie hat sich fein herausgeputzt und ist ein bißchen aufgeregt, als sie in die Paradeisergasse einbiegt und das Hotel Tigerwirt betritt. Der alte Gasthof ist ein beliebter Treff punkt der gehobenen Klagenfurter Gesellschaft. Hier sitzen Stadtverordnete und Wehrmachtsoffiziere, Geschäftsleute und Liebespaare. Auch die Hauptfunktionäre des Kärntner Heimatdienstes sind hier nach 1918 zusammengekommen, um den „Abwehrkampf“ gegen den neu entstandenen Staat der Jugoslawen zu organisieren.

 Maria hat keine Berührungsängste. Und kaum öffnet sie die Tür zur Gaststube, springt einer der dort Sitzenden schon auf: der deutsche Wehrmachtssoldat, der ihr immer so schöne Komplimente macht. Erich Schönemann ist kleiner als sie, fast kahlköpfig, dreizehn Jahre älter – und verheiratet.

 Es gäbe viele Gründe für die zweiundzwanzigjährige Maria Siutz, auf dem Absatz kehrtzumachen und in das Leben zurückzukehren, das ihr bestimmt zu sein scheint. Ein archaisches Leben, in dem Achtung vor den „vollendeten Tatsachen“ herrscht: vor Geburt, Heirat, Schwangerschaft, Dorfleben und Tod. Dahinter keine Welt.

Was für ein Gegensatz tut sich auf, wenn sie die Familie auf dem Dorf besucht. Neben der städtisch-elegant gekleideten Maria sieht die ältere Schwester fast wie eine Schweinemagd aus – und schimpft auch so: „Während ich im Stroh hinter dem Ziegenstall übernachte, kugelst du mit dem reichsdeutschen Ziegenbock im Tigerwirt durchs Doppelbett.“ Bereitet es Maria kein schlechtes Gewissen, die Nächte mit einem deutschen Soldaten zu verbringen, während die Sippe daheim auf dem winzigen Hof schuftet?

 Nein, sie will sich von niemandem mehr etwas sagen lassen. Nur noch von ihm, dem Heißgeliebten. Erich Schönemann gibt sich weltmännisch; der fesche Offizier stellt etwas dar, ist Zahlmeister der Kompanie. Wenn sie die Kartoffeln mit dem Messer zerschneidet, rügt er ihren Mangel an Etikette. Im Frieden – wie lang ist das her – war er Sparkassenangestellter. Im Krieg hat er bisher Glück gehabt, nur einmal ist er im Lazarett gelandet – wegen Hämorrhoiden.

 ©DVA Verlag©

Literaturangabe:

HERWIG, MALTE: Meister der Dämmerung. Peter Handke. Eine Biographie. DVA Verlag, München 2010. 368 S., 22,95 €.

Weblink:

DVA

 


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