MÜNCHEN (BLK) – Im September 2009 ist im Siedler Verlag „Schlimmer als Krieg. Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist.“ von Daniel Jonah Goldhagen erschienen. Aus dem Englischen wurde es von Heiner Kober übersetzt.
Klappentext: Der amerikanische Politologe und Bestseller-Autor Daniel Jonah Goldhagen geht in seinem neuesten Buch der Frage nach, wie Völkermord entsteht, was ihn von anderen gewaltsamen Auseinandersetzungen unterscheidet und was man dagegen tun kann. Dieses Buch wird nicht nur eine internationale Debatte anstoßen, es wird unser Verständnis genozidaler Konflikte für immer verändern.
Daniel Jonah Goldhagen, Jahrgang 1959, arbeitete nach seinem Studium der Politikwissenschaften und Soziologie an der Harvard University. Nach mehreren Jahren der Lehrtätigkeit beschloss er, sich ausschließlich der Forschung und dem Schreiben von Büchern zu widmen. Bei Siedler erschienen u.a. sein viel beachteter internationaler Bestseller „Hitlers willige Vollstrecker.“ (1996), der 1997 von den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ mit dem Demokratiepreis ausgezeichnet wurde, und „Die katholische Kirche und der Holocaust: Eine Untersuchung über Schuld und Sühne“ (2002). Goldhagen ist Mitglied des Minda de Gunzburg Center for European Studies in Harvard. (kum/ros)
Leseprobe:
©Siedler Verlag©
kapitel 1
„Eliminationismus“, nicht Völkermord
Harry Truman, der dreiunddreißigste Präsident der Vereinigten Staaten, war ein Massenmörder. Zwei Mal befahl er, Atombomben auf Städte abzuwerfen. Die erste – eine Explosionsbombe – detonierte am 6. August 1945 über Hiroshima, und die zweite – eine Implosionsbombe – explodierte am 9. August über Nagasaki. Truman wusste, dass jede Zehntausende japanischer Zivilisten töten würde, die in keinerlei Beziehung zu irgendwelchen militärischen Operationen standen und keine unmittelbare Bedrohung für Amerikaner darstellten. Letztlich entschied Truman damit, das Leben von annähernd 300.000 Männern, Frauen und Kindern auszulöschen. Als Truman hörte, die erste Bombe habe Hiroshima vernichtet, frohlockte er: „Das ist das größte Ding der Geschichte“.1 Dann ließ er in Nagasaki ein zweites größtes Ding folgen. Es ist schwer zu verstehen, wie irgendein vernünftiger Mensch das Massaker an harmlosen Japanern nicht als Massenmord bezeichnen konnte.
Für Trumans Massaker wurden viele Rechtfertigungen und Entschuldigungen vor allem von amerikanischer Seite vorgebracht. Es sei notwendig gewesen, um den Krieg zu beenden. Es sei notwendig gewesen, um Tausende, womöglich Hunderttausende amerikanische Leben zu retten. Doch wie Truman zu diesem Zeitpunkt wusste und wie ihm seine Berater, auch aus dem Militär, schon vor dem Abwurf der Hiroshima-Bombe gesagt hatten, stimmte beides nicht.2
Der damalige Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte in Europa und künftige Präsident der Vereinigten Staaten Dwight Eisenhower schreibt in seinen Memoiren: „Während der Minister (Kriegsminister Henry Stimson) mir die wichtigsten Fakten unterbreitete „hinsichtlich des Plans zum Einsatz der Atombombe), bemächtigte sich meiner ein Gefühl der Niedergeschlagenheit. Und so äußerte ich denn auch ihm gegenüber meine ernsten Besorgnisse, erstens, weil meiner Meinung nach Japan schon geschlagen und ein Einsatz der Bombe daher völlig überflüssig war, und zweitens, weil ich glaubte, unser Land sollte es vermeiden, die Weltöffentlichkeit durch den Einsatz einer Waffe vor den Kopf zu stoßen, deren Verwendung meiner Meinung nach nicht mehr zwingend nötig sei, um amerikanische Menschenleben zu retten. Ich war der Überzeugung, Japan suche gerade jetzt nach einem Weg, wie es sich ergeben könne, ohne allzusehr das ›Gesicht zu verlieren‹.“3
©Siedler Verlag©
Literaturangabe:
GOLDHAGEN, DANIEL JONAH: Schlimmer als Krieg. Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist. Übersetzt aus dem Englischen von Heiner Köber. Siedler Verlag, München 2009. 688 S., 29,95 €.
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