Von Sven Appel
Er nennt sich selbst einen Kulturschaffenden mit Schwerpunkt Humor. Dieser Berufsbeschreibung folgend hat Heinz Strunk, auch der Heinzer genannt, nun seinen zweiten Roman vorgelegt: Auf „Fleisch ist mein Gemüse“ folgt „Die Zunge Europas“. Das klingt irgendwie eklig, doch der Titel hat mit dem was drin steht nicht viel zu tun: Der Erzähler Markus Erdmann schildert eine Woche seines Lebens, allerdings ohne dabei an James Joyce anknüpfen zu wollen, weder im Umfang noch inhaltlich.
Markus Erdmann hat sich mit seiner Mittelmäßigkeit abgefunden. Als Gagschreiber verdingt er sich für seinen Kumpel und Comedian Sven, dessen Auftritte immer weniger Zuschauer haben. Erdmann fährt nach Berlin, wo man ihm die Mitarbeit an einem neuen TV-Projekt schmackhaft machen will. Den Job will er nicht, und so trifft er auf der Rückfahrt einen Jugendschwarm im Zug. Es kommt, wie es kommen muss: Am Ende trennt sich Erdmann von seiner langjährigen aber auch langweiligen Freundin, mit der er sowie nur noch zusammen ist, weil sie eben zusammen waren. Es sind sieben unspektakuläre Tage, daran ändert weder eine Nacht auf dem Kiez etwas und schon gar nicht das Kaffeetrinken bei Oma und Opa in der Käfersiedlung.
Das macht auch nichts, weil die Handlung sowieso nur Nebensache ist. Denn wer Strunk liest, hört oder sieht, will vor allem lachen. Und diese Anforderung erfüllt „Die Zunge Europas“ voll und ganz. Dabei ist Strunk abwechselnd liebevoll und ätzend. Der Humor des lässigen Szenegängers paart sich mit der Schnacker-Tradition von Barkassen-Führern und Opas Lebensweisheiten. Wer wie Strunk über Jahre als Tanzmusiker auf Volksfesten gespielt hat, kann eben mit jedem ein bisschen.
In dem Wissen, dass in jedem Lebenslauf etwas unangenehmes steckt, ist Strunk nichts peinlich: Zwar kommt die schwere Akne nicht zur Sprache, die den Erzähler im ersten Roman noch gequält hat. Dafür schildert er Erdmann in dessen Jugend als Verlierer: Die Mädchen wollten nichts von ihm wissen und auf dem Schulhof wurde er vermöbelt.
Aber immerhin gab es für Erdmann Hoffnung auf Besserung. Im Gegensatz zu den jugendlichen Möchtegern-Gangstern aus den tristen Wohnanlagen der Vorstadt. Geil und besoffen ziehen sie an den Wochenenden durch die Clubs, wo sie sich von den Mädchen regelmäßig eine Abfuhr abholen. Dann gibt es Prügel, was dann meist gleichaltrige Geschlechtsgenossen auszubaden haben. Oder wie tatsächlich in Hamburg geschehen und von Strunk aufgegriffen: Die Aggressivität entlädt sich in einem spontanen Schubser auf dem Bahnsteig, der nur zufällig nicht zum Tod der Gestoßenen führt. Das ist dann gar nicht mehr lustig, und Strunk zeigt, dass er auch mal anders kann.
Literaturangaben:
STRUNK, HEINZ: Die Zunge Europas. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2008. 317 S., 19,90 €.
Verlag