Werbung

Werbung

Werbung

„Heraus mit den Trompeten und fest hineingeblasen“

Jorges Louis Borges’ „Gesammelte Werke Band 9. Der Gedichte dritter Teil“

© Die Berliner Literaturkritik, 02.05.08

 

MÜNCHEN (BLK) – Der 9. Band der Werkausgabe von Jorge Luis Borges ist im Hanser Verlag erschienen.

Klappentext: Mit diesem Band ist die Edition der Gedichte von Jorge Luis Borges abgeschlossen – eines der größten Dichter des 20. Jahrhunderts. Die Bedeutung des aus Argentinien stammenden Lyrikers Borges ist langsam, aber dann umso deutlicher erkannt worden: „Heraus mit den Trompeten und fest hineingeblasen“, so begrüßte Michael Maar in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ die Neuausgabe, mit der diese Gedichte in einer bislang unerreichten Vollständigkeit geboten werden. Diese Ausgabe wird nun fortgesetzt mit dem Band, der die Werke der siebziger und achtziger Jahre versammelt, also die späten Gedichte, in denen Borges eine vollkommene Beherrschung aller Formen und Themen erreicht hatte. (fri/wip)

 

Leseprobe:

© Hanser ©

 

Things that Might Have Been

 

Pienso en las cosas que pudieron ser y no fueron.

El tratado de mitología sajona que Beda no escribió.

La obra inconcebible que a Dante le fue dado acaso entrever,

Ya corregido el último verso de la Comedia.

La historia sin la tarde de la Cruz y la tarde de la cicuta.

La historia sin el rostro de Helena.

El hombre sin los ojos, que nos han deparado la luna.

En las tres jornadas de Gettysburg la victoria del Sur.

El amor que no compartimos.

El dilatado imperio que los Vikings no quisieron fundar.

El orbe sin la rueda o sin la rosa.

El juicio de John Donne sobre Shakespeare.

El otro cuerno del Unicornio.

El ave fabulosa de Irlanda, que está en dos lugares a un

tiempo.

El hijo que no tuve.

 

Things that Might Have Been

 

Ich denk an die Dinge, die hätten sein können und nicht

waren.

Der Traktat über sächsische Mythologie, den Beda nicht

schrieb.

Das unfaßbare Werk, das Dante vielleicht zu ahnen gegeben

war,

als er den letzten Vers der Komödie schon korrigiert hatte.

Die Geschichte ohne den Kreuzesabend und den

Schierlingsabend.

Die Geschichte ohne Helenas Gesicht.

Der Mensch ohne die Augen, die uns den Mond beschert

haben.

An den drei Tagen von Gettysburg der Sieg des Südens.

Die Liebe, die wir nicht geteilt haben.

Das weite Imperium, das die Wikinger nicht gründen wollten.

Der Erdkreis ohne das Rad oder die Rose.

Das Urteil von John Donne über Shakespeare.

Das andere Horn des Einhorns.

Der Fabelvogel Irlands, der gleichzeitig an zwei Orten ist.

Der Sohn, den ich nicht hatte.

 

El enamorado

Lunas, marfiles, instrumentos, rosas,

Lámparas y la línea de Durero,

Las nueve cifras y el cambiante cero,

Debo fingir que existen esas cosas.

Debo fingir que en el pasado fueron

Persépolis y Roma y que una arena

Sutil midió la suerte de la almena

Que los siglos de hierro deshicieron.

Debo fingir las armas y la pira

De la epopeya y los pesados mares

Que roen de la tierra los pilares.

Debo fingir que hay otros. Es mentira.

Sólo tú eres. Tú, mi desventura

Y mi ventura, inagotable y pura.

 

Der Verliebte

Monde, Elfenbein, Instrumente, Rosen,

Lampen und die Linie von Dürer, die

neun Ziffern und die wandelbare Null,

ich muß so tun, als gäb es diese Dinge.

Ich muß so tun, als hätte es gegeben

Persepolis und Rom, als hätte feiner

Sand das Geschick der Zinne abgemessen,

die ehern die Jahrhunderte zerrieben.

Ich muß die Waffen und den Scheiterhaufen

des Epos und die schweren Meere, die

der Erde Säulen benagen, erheucheln.

Ich muß so tun, als gäb es andere.

Lüge. Es gibt nur dich. Dich, mein Unheil

und mein Glück, unerschöpflich und lauter.

 

G. A. Bürger

No acabo de entender

por qué me afectan de este modo las cosas

que le sucedieron a Bürger

(sus dos fechas están en la enciclopedia)

en una de las ciudades de la llanura,

junto al río que tiene una sola margen

en la que crece la palmera, no el pino.

Al igual de todos los hombres,

dijo y oyó mentiras,

fue traicionado y fue traidor,

agonizó de amor muchas veces

y, tras la noche del insomnio,

vio los cristales grises del alba,

pero mereció la gran voz de Shakespeare

(en la que están las otras)

y la de Angelus Silesius de Breslau

y con falso descuido limó algún verso,

en el estilo de su época.

Sabía que el presente no es otra cosa

que una partícula fugaz del pasado

y que estamos hechos de olvido:

sabiduría tan inútil

como los corolarios de Spinoza

o las magias del miedo.

En la ciudad junto al río inmóvil,

unos dos mil años después de la muerte de un dios

(la historia que refiero es antigua),

Bürger está solo y ahora,

precisamente ahora, lima unos versos.

228

 

G. A. Bürger

Ich kann nicht begreifen,

warum mich die Dinge so sehr berühren,

die Bürger widerfuhren

(seine beiden Daten stehen in der Enzyklopädie)

in einer der Städte des Flachlands,

beim Fluß der nur ein Ufer hat

auf dem die Palme wächst, nicht die Fichte.

Wie alle Menschen

sagte und hörte er Lügen,

war verraten und Verräter,

litt oft die Agonie der Liebe,

und nach der Nacht der Schlaflosigkeit

sah er die grauen Scheiben des Morgens,

aber er verdiente Shakespeares große Stimme

(in der die anderen sind)

und die des Angelus Silesius aus Breslau,

und scheinbar achtlos feilte er irgendeinen Vers

im Stil seiner Zeit.

Er wußte, daß die Gegenwart nichts anderes ist

als ein flüchtiges Partikel der Vergangenheit,

und daß wir aus Vergessen gemacht sind:

Weisheit so nutzlos

wie die Korollarien Spinozas

oder die Magien der Angst.

In der Stadt am unbewegten Fluß

an die zweitausend Jahre nach dem Tod eines Gottes

(die Geschichte, die ich erzähle, ist alt)

ist Bürger allein und jetzt,

genau jetzt, feilt er einige Verse.

 

La espera

Antes que suene el presuroso timbre

Y abran la puerta y entres, oh esperada

Por la ansiedad, el universo tiene

Que haber ejecutado una infinita

Serie de actos concretos. Nadie puede

Computar ese vértigo, la cifra

De lo que multiplican los espejos,

De sombras que se alargan y regresan,

De pasos que divergen y convergen.

La arena no sabría numerarlos.

(En mi pecho, el reloj de sangre mide

El temeroso tiempo de la espera.)

Antes que llegues,

Un monje tiene que soñar con un ancla,

Un tigre tiene que morir en Sumatra,

Nueve hombres tienen que morir en Borneo.

 

Das Warten

Eh die eilige Klingel schellt, und jemand

öffnet die Tür, und du trittst ein, o du

von der Sehnsucht Erwartete, muß das

All eine endlose Reihe konkreter

Akte ausgeführt haben. Niemand kann

je diesen Taumel berechnen, die Ziffer

dessen, was die Spiegel vervielfachen,

der Schatten, die sich ausdehnen und schrumpfen,

der Schritte, die sich trennen und sich treffen.

Alle Sandkörner könnten sie nicht zählen.

(Die Uhr aus Blut in meiner Brust ermißt

die zaghafte Zeit des Wartens.)

Ehe du kommst,

muß ein Mönch von einem Anker träumen,

muß ein Tiger in Sumatra sterben,

müssen neun Menschen sterben auf Borneo.

© Hanser ©

Literaturangaben:
BORGES, JORGE LUIS: Gesammelte Werke Band 9. Der Gedichte dritter Teil. Die tiefe Rose / Die eiserne Münze / Geschichte der Nacht / Die Ziffer / Die Verschworenen. Übersetzt aus dem Spanischen von Gisbert Haefs. Herausgegeben von Gisbert Haefs und Fritz Arnold. Hanser, München 2008. 488 S., 25,90 €.

Verlag


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: