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Herrlich durchschnittlich: Neuer Fall für Nabbs Maresciallo

Magdalen Nabb war neben Donna Leon die „zweite große Expertin angelsächsischer Provenienz für das verbrecherische Italien“

© Die Berliner Literaturkritik, 23.06.08

 

Von Susanna Gilbert-Sättele

Dreizehn Verbrechen durften die Leser bislang mit ihrem Romanhelden Maresciallo Guarnaccia aufklären. Sein vierzehnter, „Vita Nuova“, wird sein letzter sein, denn seine Schöpferin Magdalen Nabb starb im vergangenen Sommer mit 60 Jahren an einem Hirnschlag. Die neben Donna Leon „zweite große Expertin angelsächsischer Provenienz für das verbrecherische Italien“ („Spiegel Online“) schickte ihren tapsigen Ordnungshüter stets in Florenz – ihrer Wahlheimat – auf Verbrecherjagd, das fortan zum „Top-Tatort der literarischen Krimiszene“ avancierte.

Salva Guarnaccia ist ohnehin nicht bester Laune – Teresa, seine bessere Hälfte, hat ihn auf Zeit zwecks Pflege der kranken Schwester verlassen –, da wird er auch noch mit dem kaltblütigen Mord an der Tochter eines reichen Florentiners konfrontiert. Die Besichtigung des Tatorts, einer Villa am Rande der Stadt, macht den schrulligen Maresciallo mehr als stutzig. Nicht nur versucht ihn der unsympathische Staatsanwalt De Vita sogleich aus dem Zentrum der Ermittlungen heraus zu drängen, auch in dem Mordfall selbst passt nichts so recht zusammen. Auf die junge Mutter war nämlich in ihrem Schlafzimmer mehrfach in den Rücken geschossen worden, eine Tatsache, die den ersten Verdacht auf einen Raubmord schnell entkräftet.

Ungeachtet der vom schmierigen Staatsanwalt versuchten Ablenkungsmanöver kommt Salva dem Villenbesitzer und Vater der Toten schnell auf die Schliche. Er erfährt, dass Paoletti nicht nur seine Familie, sondern auch die Mädchen wie Gefangene hielt, die er mit falschen Versprechungen aus Osteuropa geschleust hat, damit sie in seinem obskuren Nachtclub und Hotel fremden Männern zu Diensten sind. Als der Maresciallo entdeckt, dass Paoletti auch Kinder in seinem Etablissement zur Prostitution zwingt, steht für ihn der Schuldige fest. Doch da ist der füllige Polizist eine Spur zu voreilig.

Nabb hat auch in diesem Krimi das florentinische Alltagsleben von Beamten, Hausfrauen, verwöhnten Kindern und reichen Protzen unmittelbar eingefangen. Sie erweist sich einmal mehr als Spezialistin für Lebensstil und Ambiente einer Stadt, in die sie 1975 als Touristin gekommen war, um nie wieder weg zu gehen. Vor allem in die Gedankenwelt des Staatsdieners mit dem großen Herzen für die Belange der kleinen Leute, mit einer Abneigung gegen Touristen und einer Vorliebe für Schokotorte und fette Wurst taucht sie tief ein.

Dafür gebührt ihr Respekt, denn Guarnaccia wälzt einiges in seinem Kopf herum: Etwa die Frage, wer der Missetäter ist, und wie er die Weinflecken aus der Hose heraus bekommt, die er sich als verdeckter Ermittler in Paolettis Strip-Schuppen geholt hat. Besonders aber beschäftigen ihn die Sehnsucht nach seiner Frau und die Angst vor dem Rauswurf, wenn er den Mut findet, seinen Vorgesetzten über einflussreiche Verdächtige Bericht zu erstatten. Die Gründe dafür, warum alle den sizilianischen Wachtmeister, den es ins vornehme Florenz verschlagen hat, mögen, hat der Berliner Literaturwissenschaftler Walter Delabar einmal auf den Punkt gebracht: „Guarnaccia (ist) so herrlich durchschnittlich und dabei so erfolgreich, dass wir uns unserer eigenen Durchschnittlichkeit nicht zu schämen brauchen.“

Literaturangaben:
NABB, MAGDALEN: Vita Nuova. Guarnaccias vierzehnter Fall. Aus dem Englischen von Ulla Kösters. Diogenes Verlag, Zürich 2008. 321 S., 19,90 €.

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