BUKAREST (BLK) - Die rumäniendeutsche Schriftstellerin Herta Müller hat erneut die Verstrickungen von Schriftstellern mit der früheren Diktatur und dem damaligen Geheimdienst Securitate in ihrer alten Heimat Rumänien beklagt. Die Nobelpreisträgerin von 2009 kritisierte in einem Interview mit der rumänischen Tageszeitung „Romania libera“ (Donnerstagausgabe) außerdem, dass kaum ein Literat, der Securitate-Informant war, dies aus freien Stücken zugegeben habe. Müller will am 27. September in Bukarest in einem großen Konzertsaal eine Lesung aus ihrem preisgekrönten Roman „Atemschaukel“ abhalten.
Keiner dieser Verstrickten habe sich jemals bei ihr entschuldigt, im Gegenteil, „sie versuchen alles zu leugnen“, sagte Müller. „Vor dem Verzeihen müssen aber die Dinge geklärt werden, die betreffende Person muss wenigstens sagen, dass es ihr Leid tut, sie muss sagen, was sie getan hat und nicht leugnen bis zum Geht-Nicht-Mehr“. In den 20 Jahren seit dem Fall der Diktatur „hätten sie Zeit gehabt, zu erklären, zu sagen, dass sie ein Problem auf dem Gewissen haben“, doch hätten sie „gehofft, dass man es nie erfährt“, sagte Müller weiter.
Die Schriftstellerin kritisierte zudem, dass zu wenige ihrer Kollegen sich damals offen gegen die Diktatur gestellt hätten. Den rumänischen Romancier Mircea Cartarescu („Die Wissenden“) bezeichnete Müller als „Mitläufer“, weil dieser sich während des Kommunismus „apolitisch“ verhalten habe. „In anderen Ländern kümmern sich die Intellektuellen mehr um die politischen Angelegenheiten, es wird mehr und praxisorientierter über Themen diskutiert - was in Rumänien nicht geschehen ist und auch nie geschehen wird.“ In Rumänien hätten die Künstler auch nie über das Problem des Kollaborationismus diskutieren wollen. „Ich glaube, zu viele waren mit der Diktatur verstrickt“, sagte Müller. (mas/dpa)