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„Hier wohnten Buddenbrooks“

Dichtung und Wahrheit in Lübeck

© Die Berliner Literaturkritik, 23.12.08

 

Von Eva-Maria Mester

LÜBECK (BLK) – Bei „Buddenbrooks“ liegen Dichtung und Wahrheit nah beieinander. Das gilt für Heinrich Breloers Romanverfilmung, die am ersten Weihnachtsfeiertag (25. Dezember) in die Kinos kommt, und auch für Lübeck, die Stadt der Buddenbrooks, in der der Film gedreht wurde. Denn die Familie Buddenbrook hat es so nie gegeben, sie entstammt der Fantasie des Schriftstellers Thomas Mann, der den Roman 1901 als 26-Jähriger veröffentlichte. Trotzdem kann man den Spuren der Buddenbrooks in Lübeck an vielen Stellen begegnen. Denn Mann hat in dem Roman seine eigene Familie und das Leben in Lübeck in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts porträtiert.

„Das wird beim Lesen schnell klar, auch wenn der Name Lübeck im Roman kein einziges Mal erwähnt wird“, sagt der Direktor der Kulturstiftung Hansestadt Lübeck, Hans Wisskirchen. „Er beschreibt die Stadt, ihre Gebäude und die Befindlichkeiten ihrer Oberschicht so genau, dass kein Zweifel möglich ist. Das Holstentor, das Rathaus, das Burgtor, das Katharineum, wo Hanno Buddenbrook eine ebenso unrühmliche Schulzeit verbringt wie sein Schöpfer Thomas Mann – das alles sind zentrale Orte der Handlung, die man auf einem Rundgang durch die Stadt noch heute sieht“, sagt Wisskirchen. „Der Film ist an authentischen Orten gedreht worden. Das war nur in Lübeck möglich“, sagt er. Mittlerweile ist zu den schon seit Jahren angebotenen Stadtführungen „auf den Spuren der Buddenbrooks“ ein Rundgang „auf den Spuren des Films“ hinzugekommen.

Denn während die letzte „Buddenbrooks“-Verfilmung, ein Elfteiler des Hessischen Rundfunks, Ende der 1970er Jahre noch hauptsächlich in Danzig gedreht wurde, setzt Breloer in seinem Film fast immer die Originalschauplätze in Szene. Das Innere des Buddenbrookhauses wurde allerdings in einem Studio nachgebaut – nach den Beschreibungen des Romans, aber ausladender, damit es genug Platz für die Kameras gab.

Am Buddenbrookhaus in der Mengstraße wird besonders deutlich, wie sich Dichtung und Wahrheit im Roman vermischen. Das Haus gehörte bis 1891 den Großeltern Thomas Manns, der 1875 als Sohn des Senators Thomas Johann Heinrich Mann in Lübeck zur Welt kam. In seinem Roman machte der Schriftsteller das Gebäude zum Haus der Buddenbrooks. „Weihnachten im Hause Buddenbrook ist im Grunde das Weihnachtsfest, das Thomas Mann bei seinen Großeltern viele Male erlebt hat“, sagt Wisskirchen. Heute ist das Haus ein Literaturmuseum, das im ersten Stock Originalszenen des Romans zeigt. „Die Touristen vor dem Buddenbrookhaus haben also Recht und Unrecht zugleich, wenn sie sagen, hier habe die Familie Buddenbrook gewohnt“, stellt Wisskirchen fest.

Auch für die Personen gab es reale Vorbilder in der Familie Mann und in der Stadt. „Der Roman trägt ganz klar autobiografische Züge. Thomas Mann schildert in ‚Buddenbrooks’ den Niedergang einer Familie, wie er ihn ähnlich in seinem Umfeld erlebt hat“, erläutert Wisskirchen. In seinem Buch „Die Welt der Buddenbrooks“ schildert er die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe, auf die der Roman Bezug nimmt. So ist auch der Wirbel zu erklären, den der Roman bei seinem Erscheinen in der Lübecker Gesellschaft auslöste. So wird in dem Buch Theodor Eschenburg (1904-1999), ein Enkel des Lübecker Senators und Bürgermeisters Johann Georg Eschenburg, zitiert: „Bei uns am Tisch durften der Roman und sein Verfasser nicht erwähnt werden.“

Auch die Kinder Thomas Manns haben offenbar nicht immer zwischen Dichtung und Wahrheit unterscheiden können. Breloer berichtet in seinem Filmbuch zu „Buddenbrooks“: «Thomas Manns Sohn Golo hat einmal erzählt, wenn er und seine Geschwister in Lübeck am Grab der Manns standen, hätten sie gedacht, dort unten lägen die Buddenbrooks.“

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