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Hoch lebe das Bauhaus!

„Modell Bauhaus“ ist eine Biografie der berühmten Kunsthochschule

Von: THOMAS HUMMITZSCH - © Die Berliner Literaturkritik, 12.09.09

Das Bauhaus hat der Moderne seinen Stempel aufgedrückt, wie kaum eine andere Kunstschule. Bisher ist ungeklärt, wie die Hochschule für Gestaltung in ihrer 14-jährigen Existenz zu solch historischer Bedeutung gelangen konnte. Noch heute stehen das Bauhaus und seine Produkte für einen modernen Lebensstil und kultivierten Geschmack.

In diesem Jahr wäre das Bauhaus neunzig Jahre alt geworden. Wäre, denn das historische Bauhaus wurde im Sommer 1933 in Berlin geschlossen. Mit zahlreichen Ausstellungen wird in diesem Jahr das Jubiläum der erfolgreichen Kunst- und Designschule begangen. Die bisher größte gastiert derzeit im Berliner Martin-Gropius-Bau. Unter dem Titel „Modell Bauhaus“ versammelt sie Bauhaus-Produkte bekannter und auch wenig bekannter Bauhäusler aus fast 30 Museen. Ab November wird die Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art (MOMA) zu sehen sein. Der gleichnamige Ausstellungskatalog versucht, den Blick auf das Bauhaus zu öffnen. Die Präsentation der Mannigfaltigkeit von Konzepten und Inhalten soll deutlich machen, dass das Bauhaus „ein radikales Experiment der Entgrenzung, Entkategorisierung und Zusammenführung“ war.

Das Bauhaus wurde 1919 in Weimar als Zusammenschluss der Hochschule für bildende Kunst und der Kunstgewerbeschule von dem Architekten Walter Gropius gegründet. 1925 musste es nach Dessau umziehen, nachdem die nationalkonservative thüringische Landesregierung der Schule die politische Unterstützung entzogen hatte. In Dessau blieb die Hochschule für Gestaltung bis 1932. In der Zeit entstanden die Dessauer Meisterhäuser, das Bauhaus-Lehrgebäude sowie die Wohnsiedlung Dessau-Törten. Der Gründungsdirektor Walter Gropius verließ 1928 das Bauhaus und Hannes Meyer übernahm bis 1930 dessen Funktion. Ab 1930 führte schließlich Ludwig Mies van der Rohe die Schule, die er nach dem Schließungsbeschluss des Dessauer Gemeinderats vom 1. Oktober 1932 nach Berlin umsiedelte und dort noch einige Monate als private Institution weiterführte. Am 20. Juli 1933 wurde das Bauhaus unter dem Druck der regierenden Nationalsozialisten geschlossen.

Zu keiner Zeit war das Bauhaus ein in erster Linie künstlerisches Projekt. Konfrontiert mit den gesellschaftlichen Verhältnissen seiner Zeit hatte es immer einen sozialen Anspruch. Sein Ziel bestand in der Versöhnung von Architektur, Kunst und Handwerk und damit der Rückbindung dieser drei Bereiche an die gesellschaftlichen Ansprüche. Bereits im Gründungsmanifest wurde dieser Anspruch deutlich. „Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird. Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens.“ Lyonel Feiningers im kubistischen Stil gehaltene Kathedrale auf dem Deckblatt des Manifests, ein funkelnder Kristall der Architektur, gilt bis heute als das Symbol dieses Programms.

Die soziale Grundausrichtung fand sich auch in der inneren Struktur der Schule wieder. Als Werks- und Künstlergemeinschaft fanden unter dem Dach des Bauhaus Architekten, Bildhauer, Maler, Designer und Handwerker aus allen Stilrichtungen, Ländern und Schichten zusammen und inspirierten sich gegenseitig. Die Vermittlung der gestalterischen Grundlagen in den Vorkursen und die anschließende Umsetzung des Gelernten in den Werkstätten schweißten Kunst und Handwerk zu einer elementaren Einheit zusammen. Darauf aufbauend sollten adäquate Antworten auf die sozialen Fragen der Zeit gefunden werden. Oder wie Walter Gropius zur Eröffnung der ersten großen Bauhaus-Ausstellung 1923 formulierte: „Die Schaffung von Typen für die nützlichen Gegenstände des täglichen Gebrauchs ist eine soziale Notwendigkeit.“

Damit rückte das Schaffen von Prototypen für die industrielle Herstellung von Alltagsgegenständen in den Mittelpunkt der Bauhaus-Ausbildung. Zentral dafür war die Vermittlung der Gestaltungsgrundlagen in den Vorkursen, in denen neben Farb- und Formlehre auch „Wesensforschung“ betrieben wurde. Die verschiedenen Materialien und Objekte sollten dort umfassend untersucht werden, um Dinge schließlich so gestalten zu können, dass sie richtig funktionierten. Dennoch gelang es zunächst nur selten, ein Bauhaus-Produkt zu präsentieren, das die industrielle Reproduktion ermöglichte. Die Bauhäusler waren in den ersten Jahren noch zu sehr mit ihren expressionistischen, surrealistischen oder dadaistischen Wurzeln verbunden. Gropius forderte Lehrkräfte und Schüler daher auf, sich von den Avantgarden der Moderne zu lösen, da man ansonsten zwar kostbare, aber zugleich unnütze Gegenstände schaffe. Damit begann ein für den Lehrkörper und die Studentenschaft schmerzhafter und verlustreicher Prozess der Hinwendung zur Zweckrationalität.

Am stärksten verdeutlicht die Entwicklung von Marcel Breuer die Neuausrichtung des Bauhauses. Stellt man seinen 1921 mit Gunta Stölzl entworfenen Afrikanischen Stuhl neben seinen Clubsessel von 1926, wird die Verdrängung des Spielerischen zugunsten einer größtmöglichen Zweckrationalität offensichtlich. Mit dieser Ausrichtung des Bauhauses auf funktionale Produkte des täglichen Bedarfs wurde es zur geschützten Marke und der von Oskar Schlemmer entworfene Bauhaus-Kopf als Signum zum Qualitätssiegel einer ganzen Generation.

Der Mythos des historischen Bauhauses baut vor allem darauf auf, dass es die Avantgardisten aller Fachbereiche unter einem Dach zusammenführte. Allein das Gründungspersonal (Walter Gropius, Lyonel Feininger, Johannes Itten, Gerhard Marcks) musste wie ein Magnet auf die interessierte Studentenschaft wirken. Dazu kam, dass im Laufe der Jahre weitere bekannte Vertreter der europäischen Künstleravantgarde an die Hochschule gerufen wurden, darunter Personen wie Paul Klee, Wassily Kandinsky, Oskar Schlemmer, Josef Albers, Georg Muche, László Moholy-Nagy oder die beiden späteren Direktoren Mies van der Rohe und Hannes Meyer.

Erst diese bunte Mischung an Lehrkräften aus allen Stilrichtungen der Moderne machte das ständige Oszillieren der Konzepte und Ideen möglich, das die historische Bedeutung des Bauhauses heute begründet. Keine Publikation hat dies bisher derart plastisch veranschaulicht, wie der Ausstellungsband „Modell Bauhaus“. In 68 Aufsätzen zu jeweils einem exemplarischen Objekt (darunter sämtliche Ikonen des Bauhauses) bringt der Band dem Leser nicht nur die Schaffensvielfalt der Bauhäusler nahe, sondern es gelingt ihm auch, den andauernden Modellcharakter der einzelnen Werke in der Kunstwelt zu verdeutlichen. Darüber hinaus vermittelt der Band einen umfassenden Eindruck des Lebens und Schaffens am Bauhaus. Tafeln zu den einzelnen Jahreskapiteln ermöglichen die zeithistorische Einordnung der Geschehnisse am Bauhaus in die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Begleitumstände. Mit „Modell Bauhaus“ liegt nun eine Biografie der Kunsthochschule in Bild und Text vor, die ein umfassendes Bild des historischen Bauhauses und seiner Rezeption liefert.

Literaturabgabe:

BAUHAUS-ARCHIV BERLIN (HRSG.) u.a.: Modell Bauhaus. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2009. 376 S., 39,80 €.

Weblink:

Verlag Hantje Cantz

Thomas Hummitzsch ist freier Journalist, Literatur- und Kunstkritiker in Berlin. Er schreibt u.a. für die „taz“, den „Freitag“ und die „Süddeutsche Zeitung“


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