Von Thomas Burmeister
LONDON (BLK) – In seinen Thrillern hat er den Sturz des Schahs von Persien ebenso vorhergesehen wie die Wahl Margaret Thatchers zur Regierungschefin oder den russischen Einmarsch in Afghanistan. Doch sein eigener 70. Geburtstag an diesem Montag (25. August 2008) kommt für Frederick Forsyth als „Riesenüberraschung“. „Dass ich so alt werde, hätte ich früher wirklich nicht geglaubt“, sagt der Autor von Bestsellern wie „Der Schakal“, „Die Akte Odessa“, „Der Rächer“ oder „Die Faust Gottes“ mit einem Augenzwinkern. „Immerhin habe ich ungefähr sechs Mal im Leben Momente mitgemacht, in denen es verdammt danach aussah, als sei alles vorbei.“
Umso fröhlicher will der einstige Kampfflieger der Royal Air Force und Kriegsberichterstatter der BBC, der als Teenager um ein Haar Stierkämpfer in Spanien geworden wäre, das Jubiläum in seinem Landhaus bei London feiern. Grund zur Freude gibt es auch für die weltweite Fangemeinde des Mannes, dessen Name als Synonym für Hochspannung gilt: „Mystic Fred“, wie Frederick Forsyth wegen seiner Wahrsager-Begabung auch genannt wird, hat gerade mit der Arbeit an einem neuen Buch begonnen.
„Wenn ich ausplaudern würde, worum es geht, wäre ich natürlich ein miserabler Pokerspieler“, sagt der Autor im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (BLK) in London. „Aber so viel will ich verraten: Es hat etwas mit Drogen zu tun.“ Und das – da darf man angesichts der Strickmuster seiner bisherigen Bestseller ganz sicher sein – wieder im ganz großen Stil und weltumspannend. Zunächst mal ist jedoch Warten angesagt. Forsyth ist bei aller Abenteuerlichkeit seiner Werke kein Schnellschießer. Gründlicher als der Ex-Journalist ist kaum ein anderer im Polit-Thriller-Gewerbe. Das Recherchieren hat er bei der Nachrichtenagentur Reuters gelernt, die ihm 1963 die Leitung ihres Büros in Ost-Berlin übertrug.
Was er als Agentur-Korrespondent unter dem Druck der tagesaktuellen Berichterstattung freilich nie konnte, leistet sich Forsyth als Buchautor: Mindestens zehn Monate nimmt er sich für gründliche Nachforschungen Zeit. Heute öffnen sich ihm dafür viele Türen. Und weil er als äußerst verschwiegen in Bezug auf seine Quellen gilt, bekommt er auch jede Menge Insider-Tipps. Am Anfang war die Recherche hingegen mit enormen Schwierigkeiten verbunden. Und nicht nur die, sondern auch der Versuch, sein erstes Werk zu verkaufen. Als Forsyth 1971 das Romandebüt über einen Mordanschlag auf den französischen Staatschef Charles de Gaulle vorlegte, winkten mehrere Verlage ab. Sie bereuten ihre Fehlentscheidung bald. „Der Schakal“ wurde ein Weltbestseller und ein Hollywood-Hit.
Seitdem bieten Verlage Forsyth schon hohe Summen an, ehe er auch nur eine Zeile für ein neues Werk geschrieben hat. Geld war für den im südenglischen Städtchen Ashford als Sohn eines Kürschners geborenen Journalisten, wie er einst bekannte, das ebenso prosaische wie überragende Motiv, sich als Schriftsteller zu versuchen. Nach Millionenauflagen in rund 30 Sprachen hat Forsyth so viel davon, dass er nicht mehr darüber reden mag.
„In knapp zwei Jahren sollte mein nächstes Buch in den Läden liegen“, sagt „Mystic Fred“ voraus. „Schließlich brauche ich nach der aufwendigen Recherche dann ja nur noch ungefähr zwei Monate zum Schreiben.“ Fans dürften jetzt schon rätseln, welche Prophezeiung im neuen Forsyth mehr oder weniger versteckt enthalten ist. Die in seinem bislang letzten Thriller hat sich allerdings – glücklicherweise – bisher nicht erfüllt.
In „Der Afghane“ (2006) nähert sich ein als Frachter getarnter Tanker mit hochexplosivem Flüssiggas im Bauch und Selbstmordattentätern an Deck der „Queen Mary 2“. Auf dem Luxusliner halten gerade die mächtigsten Staatsmänner der Welt eine Gipfelkonferenz ab. Es sei doch nur eine Frage der Zeit, bis tatsächlich ein Schiff von Terroristen als Massenmordwerkzeug missbraucht wird, meinte Forsyth beim Erscheinen des Romans. „Wir wissen, dass El Kaida Seeleute ausbilden ließ.“
Wer weiß, vielleicht hat er damit sogar dazu beigetragen, einen solchen Anschlag zu verhindern. Immerhin soll zu seiner Leserschaft so mancher professionelle Terroristen-Jäger gehören. Die Romanidee eines Terroranschlags auf einen Wolkenkratzer mit einem entführten Passagierflugzeug habe er nie in einem Buch umgesetzt – schrieb Forsyth kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 an die „Times“ – , weil ihm die Gefahr zu groß erschien, dass ein solcher Gedanke in die Tat umgesetzt wird.
Dass die furchtbaren Anschläge auf das World Trade Center in New York die Nachfrage nach Polit-Thrillern, die seit dem Ende des Kalten Krieges zurückgegangen war, wieder angefacht haben, räumt Forsyth ein. Der Markt für Spannungsliteratur, die auf Zutaten wie Hightech-Waffen, internationale Verschwörungen, finstere Geheimdienste, fiese Spitzenpolitiker und hartgesottene Helden setzt, ist seitdem gewachsen. Dass dies eine „Macho-Militär-Welt“ ist, deren Konsumenten vor allem Männer sind, hat Forsyth schon immer mit einem Achselzucken hingenommen. „Das war schon bei den Klassikern nicht anders“, sagt er schmunzelnd. „Man zähle doch mal nach, wie viele Frauen in ‚Wallensteins Lager’ von Schiller vorkommen.“
Literaturangaben:
FORSYTH, FREDERICK: Der Afghane. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt. Goldmann, München 2008. 352 S., 8.95 €.
---: Der Rächer. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Reiner Pfleiderer. Goldmann, München 2005. 377 S., 8,95 €.
---: Der Schakal. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Tom Knoth. Piper, München 2002. 437 S., 9,95 €.
---: Die Akte Odessa. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Tom Knoth. Piper, München 2000. 270 S., 8,95 €.
---: Die Faust Gottes. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner. Goldmann, München 2008. 639 S., 6 €.
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