Ayaan Hirsi Ali (Foto ©: Tess Steinkolk)
Literaturangabe:
Ayaan Hirsi Ali: Ich bin eine Nomadin
Piper Verlag, München 2010. 345 S., 19,95 €.
Von Susanna Gilbert-Sättele
Es ist ein provokantes Buch, das die 1969 in Somalia geborene Ayaan Hirsi Ali unter dem Titel „Ich bin eine Nomadin“ veröffentlicht hat. Ayaan Hirsi Ali schreibt nicht um den heißen Brei herum, wenn es um die Integration von Muslimen in Europa und in den USA geht. Sie hält überhaupt nichts von einer unkontrollierten Einwanderungspraxis. Eine ihrer zentralen Botschaften an die Verfechter einer multikulturellen Gesellschaft im Westen lautet: Das soziale „laissez faire“ schiebt lediglich den Übergang in die Moderne hinaus.
Der Kampf der Autorin gegen Radikalismus im Islam, insbesondere gegen menschenverachtende Behandlung muslimischer Frauen, hat ihr den unverhohlenen Hass fundamentalistischer Kreise eingebracht. Sie wird seit Jahren mit dem Tod bedroht und lebt heute in den USA. Ihre früheren Bücher „Ich klage an“ und „Mein Leben, meine Freiheit“ sind gleichwohl international erfolgreich geworden. Auch wenn sie sich mitunter von der Kritik gefallen lassen muss, mit ihrem Aufruf zum „Wettstreit zwischen den Religionen“ die Debatte nur noch weiter anzuheizen.
In ihrem neuen Buch verknüpft Ayaan Hirsi Ali aufs Neue ihre eigenen bitteren Erlebnisse mit ihren politischen Erfahrungen. Ihre Jugend war geprägt von der Flucht aus Somalia nach Saudi-Arabien. Es folgte die Ausweisung nach Äthiopien, die erneute Umsiedlung nach Kenia. Als sie 22 Jahre alt war, befahl ihr der Vater, einen völlig fremden Verwandten in Kanada zu heiraten. Sie floh nach Holland. Dort wurde sie Abgeordnete der Liberalen Partei. International bekannt wurde sie aber erst, als sie gemeinsam mit dem Filmregisseur Theo van Gogh einen Film über Gewalt gegen Frauen im Islam drehte („Submission“). Theo van Gogh wurde daraufhin 2004 von einem muslimischen Fanatiker ermordet, und Ayaan Hirsi Ali musste untertauchen.
In „Ich bin eine Nomadin“ schildert die Autorin den schmerzhaften Abkoppelungsprozess von ihren Eltern, Verwandten und muslimischen Freunden. Zugleich verweist die Autorin auf den Kampf der Kulturen, wie sie ihn erlebt. Ein großes Anliegen ist es ihr, dass die Integrationspolitiker die Dynamik der muslimischen Familien begreifen. Denn darin erkennt sie den Schlüssel dafür, dass etliche Muslime Sympathien für den Radikalismus entwickelten. Vor allem durch die Familien, so meint Ayaan Hirsi Ali, finden Verschwörungstheorien ihren Weg von den Moscheen und Koranschulen in holländische, französische oder amerikanische Wohnzimmer. Eine radikale muslimische Minderheit sei der festen Überzeugung, dass der Islam unter Beschuss stehe. Diese Minderheit setze alles daran, den Heiligen Krieg gegen den Westen zu gewinnen.
Ayaan Hirsi Ali räumt ganz offen ein, ein subjektives Buch geschrieben zu haben. Ihre Botschaft, dass der Westen mit den Dschihadisten, den Befürwortern des „Heiligen Krieges“, um die Herzen und den Verstand der muslimischen Immigranten kämpfen müsse, verkündet sie mit Leidenschaft. Dabei setzt sie auf Bildung, die den Bann unfehlbarer Propheten zu brechen imstande sei. Denn die meisten Muslime wanderten in den Westen ein, um ein besseres Leben führen zu können. Wenn sie aber ihre Ziele – besseres Einkommen und bessere Ausbildung – erreichen wollten, müssten sie „einige ihrer Gewohnheiten, Dogmen und Bräuche aufgeben und neue annehmen“. Das Buch ist vor allem wegen seiner Einblicke in das Innenleben muslimischer Familien interessant.
Literaturangabe:
HIRSI ALI, AYAAN: Ich bin eine Nomadin. Verlag Piper, München 2010. 345 S., 19,95 €.
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