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„Ich fand den Fall der Mauer gut“

Gabriele Wohmann empfindet aber keine Euphorie

© Die Berliner Literaturkritik, 05.11.09

DARMSTADT (BLK) - Die preisgekrönte Schriftstellerin Gabriele Wohmann hat sich über den Mauerfall vor 20 Jahren gefreut, aber keine überschwänglichen Glücksgefühle gehabt. „Ich fand den Fall der Mauer außerordentlich gut“, schildert die 77-Jährige in einem Gespräch mit der Deutschen Presse Agentur dpa in Darmstadt. „Aber ich habe nicht die Euphorie empfunden, wie es etwa in Berlin der Fall war.“ Freunde seien begeistert gewesen und extra in die Hauptstadt gefahren, um bei diesem historischen Moment dabei sein zu können. Wohmann blieb zu Hause in Darmstadt. Trotzdem: „Ich war froh, dass sich dieses DDR-Gefängnis geöffnet hat“.

Wäre sie Ostdeutsche gewesen, hätte sie dem Land den Rücken gekehrt. „Ich hätte es auch so gemacht wie Günter Kunert oder Sarah Kirsch und wäre weggegangen“, ist sie sich sicher. „So eine Unfreiheit und eine Angst vor Bespitzelung hätte ich wohl schlecht ausgehalten“.

Dauerhaften Kontakt zu Schriftstellern in der DDR hat die Autorin von Erzählungen, Romanen, Gedichten, Hörspielen, Fernsehspielen und Essays praktisch nicht gehabt. „Christa Wolf hat den Briefkontakt zwischen uns einschlafen lassen, weil sie gesagt hat, die ‚Tinte gefriert ihr in der Feder’. Sie dachte an die Zensur damals“.

Wohmann („Paulinchen war allein zu Haus“) gilt als genaue Beobachterin von Familien-, Ehe- und Generationskonflikten. Die Darmstädterin stammt aus einer protestantischen Pastorenfamilie. 1957 erschien ihre erste Erzählung „Ein unwiderstehlicher Mann“. Die Autorin gehörte der Gruppe 47 an, war Mitglied im PEN-Club und wurde 1980 in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung gewählt.

Deutschland sieht Wohmann heute noch lange nicht wirklich vereint. „Es gibt immer noch diese Ostalgie, diese Wehmut, trotz aller Bespitzelung damals“. Aber auch die Haltung der Westdeutschen sieht sie kritisch. „Die Hochgefühle sind wohl auch abgestorben. Die Leute reisen auch nicht mehr so viel, außer nach Rügen“. Das Aufeinanderzugehen stagniere. Das überrascht die Beobachterin nicht. „Das hängt mit der großen Entfremdung zusammen, die hier wie dort gelebt wurde“. Willy Brandts Diktum „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ habe sie als kitschig empfunden.

Dem heutigen Literaturbetrieb steht die 77-Jährige kritisch gegenüber. „Werbung ist heute beinahe alles“ - die Verpackung zähle mehr als der Inhalt. Ob sie den trotz aller Ehrungen und zahlreicher Veröffentlichungen ausstehenden Bestseller doch noch schreiben werde, bezweifelt sie entschieden. „Heute muss man ja viel drastischer werden. Ich sehe es nicht kommen, dass ich so etwas wie ‚Feuchtgebiete’ schreiben werde“, sagt sie entschieden. „Das will ich auch nicht“.

Dass sie in der jüngsten Zeit nicht mehr die Auflagen der frühen Jahre erreicht, schmerzt Wohmann. Die 77-Jährige versucht es mit Gelassenheit und auch ein wenig Zynismus zu nehmen. „Ich habe ein Kinderbuch geschrieben. Das hat aber noch keinen Verlag“. Nach kurzem Nachdenken: „Auch da gibt es anscheinend einen großen Andrang an Manuskripten“. (dpa/ros)


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