Von Marco Gerhards
Die Idee klingt faszinierend und bricht mit freudiger Gewalt wie eine Led-Zeppelin-Riff-Kanonande ins Herz – ein Comicalbum der Rockgeschichte: mit Elvis the pelvis, mit den Fab Four und auch mit Madonna und Amy Winehouse. Mit Janet, Jermaine und Michael Jackson und auch mit Marvin Gaye und Curtis Mayfield, obwohl letztere etwas ganz anderes machten als Rockmusik – aber in der globalen Sprache meint Rock ja auch viel mehr als Gitarren und lange Haare, es geht um die ganze Welt der Unterhaltungsmusik – alles also, das wir hörten, hören und hören werden. Und deren wichtigste Protagonisten entdecken wir in Form der Zeichnungen auf andere, auf Comicart, neu, begegnen ihnen spielerisch von diesem neuen Blickwinkel. Die Entdeckung des Bekannten in Form einer ungewöhnlichen Aneinanderreihung.
Diese Aneinanderreihung und der Aufbau des Buches ist eine Kette von Namen, Jahreszahlen, Alben, Liedern, Refrains und Geschichten; chronologisch in einem wilden Strudel aufgebaut folgt Seite auf Seite oder besser Hit auf Hit. Startpunkt ist 1915 mit der ersten Jukebox, Ende dann Juni 2009 mit lustigen Anekdoten zu Britney Spears und Tokio Hotel (als Bruder Tom sich nämlich einen Geschlechtsherpes einfing). Tokio Hotel sind eine Ausnahme im ansonsten selbstredend US-amerikanischen und britischen Musikmarkt, hier gewürzt mit der speziellen Note der Heimat des Autors, also Frankreich. Aber keine Sorge, die wichtigsten Bands sind allesamt mit dabei und eine allzu frankophone Ausrichtung ist in keinster Weise gegeben. David Bowie, The Who und Bruce Springsteen machen nach wie vor der Welt der Hitmusik aus.
Folgendes darf konstatiert werden: Zeichnen kann er gut der Herr Bourhis - schlaksige Typen, Konzentration aufs Wesentliche, Jackos „Off the Wall“ am breiten Grinsen und den aus den ausgezogenen Hosentaschen sofort erkannt. Keine Hintergrund-Feinheiten, keine liebevollen Anekdoten, das Visuelle ist grundlegend und schlicht. Und auch derb wie gute Rockmusik, nicht allein die Geschlechtsherpesnotiz von oben zeigt dies. Zum Rock´n´Roll gehört die Lust und das Laszive, Bourhis berichtet davon, unaufgeregt, unprätentiös. Und er kennt sich aus, weiß wer und wann das Wichtigste von sich gab und wen wir hören und sehen wollen, von wem wir Geschichten brauchen.
Geschichten: das ist der Punkt, der hier ein bisschen kurz kommt. Zumeist handelt es sich um ein Panel mit Name und Darstellung. Vom 75er-Superalbum „Curtis“ von Curtis Mayfield wird im Rahmen des Jahres 1975 so berichtet: Ein Bild mit der, wie oben erwähnten, klaren und schlichten Zeichnung des Covers (dem sitzenden Mayfield aus der Froschperspektive) und dem Titel Curtis. Das war’s. Geschichten, über mehrere Panels, Hintergrundanekdoten sind selten, leider allzu selten und machen das Buch somit eher zu einem Sammelsurium der berühmtesten Plattencover der letzten Jahrzehnte.
Neben dem Bild einer Gruppe oder eines Künstlers gibt’s pro Panel ab und an ein kleines Bonmot. Word up: „Paul Weller and The Jam haben aus England wieder eine Mod-Kultur gemacht.“ Aha, ok, danke, aber das wussten wir doch schon. Sagen wir es so: Die Geschichte des Rock ist hier auf weit über 100 Seiten dargestellt mit den nötigsten aller Informationen, wer das dann auswendig kennt, kann mitreden: Highlight des Buches ist die persönliche Playlist des Autors, Jahr für Jahr, von den Fifties bis heute im Anhang. Auditiv nachspüren wollen – solcher Art Bedürfnis hat man schnell nach der Lektüre dieses Buches.
Literaturangabe:
BOURHIS, HERVE: Das kleine Rockbuch. Carlsen Verlag, Hamburg 2009. 216 S., 19,90 €.
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