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Im Bann des „Einstein-Mädchens“

Ein Spiel mit Fakten und Fiktion

© Die Berliner Literaturkritik, 24.07.11

Von Susanna Gilbert-Sättele

Philip Sington entführt den Leser mit seinem Roman „Das Einstein-Mädchen“ in die Welt des berühmten Physikers und Nobelpreisträgers Albert Einstein (1879-1955) - und in die einer jungen Frau, die möglicherweise seine verschwiegene Tochter war. In seinem Roman überspringt der britische Romancier und Historiker so lange die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion, bis auch noch der skeptischste Leser seiner fesselnden Geschichte Glauben schenkt.

1932 wird in einem Forst bei Caputh nahe Potsdam eine junge Frau bewusstlos gefunden. Neben ihr liegt ein Programm-Zettel für einen Vortrag von Albert Einstein zum Thema „Der gegenwärtige Stand der Quantentheorie“. Da sie sich, wieder zu Bewusstsein gekommen, an nichts mehr erinnern kann, nicht einmal mehr an ihren Namen, ist sie für die Zeitungen nur noch „Das Einsteinmädchen“. Sie wird in die Charité in Berlin eingeliefert. Der Psychiater Dr. Martin Kirsch kümmert sich um sie - und ist auf der Stelle fasziniert. Er hat nicht nur Interesse, sie gesund zu pflegen, sondern er will auch hinter das Geheimnis ihrer Herkunft kommen: Könnte sie eine Tochter Albert Einsteins sein?

Der Fall wird noch mysteriöser, als die junge Frau darauf besteht, von Kirsch Marija genannt zu werden. Denn Kirsch ist ihr Wochen zuvor in einer Berliner Bar schon einmal begegnet. Damals hat sie sich als Elisabeth vorgestellt. Obwohl der Arzt verlobt ist, fühlt er sich zu seiner Patientin hingezogen. Er stellt umfangreiche Nachforschungen an und zweifelt doch immer wieder, ob er auf dem richtigen Weg oder in die Fänge einer Hochstaplerin geraten ist. Schließlich gerät er derart in den Bann der jungen Frau, dass er kaum noch zwischen Wahrheit und seinen eigenen Fantasien unterscheiden kann.

Als er bei Elisabeth einen Brief findet, der an Mileva Einstein- Maric, die erste Frau Albert Einsteins, adressiert ist, gibt es für ihn kein wichtigeres Ziel mehr, als das Geheimnis zu lüften. Einsteins erste Frau allerdings, die in Zürich lebt, verweigert jede Auskunft. Doch Kirsch gelingt es, das Vertrauen Eduards zu gewinnen, einem der beiden Söhne Einsteins und Milevas. Da aber Eduard Patient in einer Nervenheilanstalt, dem „Burghölzli“ in den Schweizer Alpen, ist, fällt es Kirsch schwer, seine Worte richtig zu deuten.

Philip Sington, der schon mehrere Wissenschaftsthriller geschrieben hat, ist bekannt für seine hieb- und stichfesten Recherchen: Die Orte, die er beschreibt, von Caputh, dem Sommerhaus Einsteins über Zürich bis hin zu den Universitäten und dem „Burghölzli“, sind eindeutig der Biografie Einsteins zuzuordnen. Auch die frühe Ehe zwischen dem Genie und der Serbin Mileva ist eine historische Tatsache. Aus der Ehe gingen zwei Söhne - Hans Albert und Eduard - hervor.

Erst 1987 wurde durch die Veröffentlichung privater Korrespondenz bekannt, dass das Paar vor der Hochzeit eine Tochter - Lieserl - bekommen hatte, über deren Schicksal seither spekuliert wird. Offenbar haben die Eltern die Existenz des unehelichen Kindes verheimlicht. Möglicherweise wurde es mit einem Down-Syndrom geboren. Auch ist es fraglich, ob Einstein das Mädchen jemals zu Gesicht bekam. Vielleicht wurde es zur Adoption freigegeben, oder es ist noch als Baby gestorben.

Sington lässt die Leser nicht nur an Kirschs Suche nach der wahren Identität der Frau teilhaben, sondern er führt auch noch ganz nebenbei in die Forschungen Einsteins zur Relativitäts-Theorie ein. Hinzu kommt die zeitgeschichtliche Perspektive des Romans: Die Geschichte spielt wenige Monate vor der Machtübernahme durch die Nazis. Deren Erstarken bedeutet nicht nur für den Juden Einstein, sondern auch für den Psychiater Lebensgefahr. Angesichts der Bedrohung fühlt der Arzt bei seinen Nachforschungen das Netz um ihn immer enger werden. Bis zum Schluss bleibt er der Held, an dessen Seite der Leser die überaus fesselnde Geschichte miterlebt.

Literaturangabe:

SINGTON, PHILIP: Das Einstein-Mädchen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2010. 464 S., 14,90 €.

Weblink:

dtv


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