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Im Bann des Kometen

Nomen est omen: Erzählungen des Meisters

© Die Berliner Literaturkritik, 22.07.10

Von Marco Gerhards

Samuel Longhorne Clemens ist kein Unbekannter, auch wenn bei den meisten Lesern bei Nennung dieses an sich schon außergewöhnlichen Namens nicht sofort der Groschen fällt. Zahlreiche Herzen hat er, vor allen Dingen mit seinen stark autobiographisch geprägten Romanen der amerikanischen Südstaaten und ihrer sozialen und natürlichen Besonderheiten des 19. Jahrhunderts, im Sturm erobert.

Tom Sawyer und Huckleberry Finn sind seine berühmtesten Protagonisten jener Geschichten und der unbekannte Samuel ist kein geringerer als der große amerikanische Erzähler Mark Twain, der vor allen Dingen im 20. Jahrhundert nahezu ausschließlich Bewunderer zählen darf – was auch nicht schwer ist, denn seine Sprache wird von Philologen als wohliges Beispiel in Universitäten gerühmt, seine Prosa als Weltliteratur von Kollegen wie Lesern zutiefst geschätzt.

Mark Twain wiederum ist wörtlich ein Ausdruck aus der Seemannssprache und meint eine bestimmte Wassertiefe; etymologisches Überbleibsel seiner Zeit als Steuermann auf einem Mississippidampfer. Doch nicht nur dort schiffte er ein, zahlreiche Aufenthaltsorte quer durch die Vereinigten Staaten von Amerika sowie Besuche anderer Kontinente machten ihn zu einem Kenner der Kulturen seiner Zeit.

Und wie herzerfrischend humorvoll und bestechend analytisch er diese ins Zentrum seiner Geschichten stellt, macht das große Können dieses Jahrhunderterzählers aus; auch in seinen „Meistererzählungen“, die von Diogenes erstmals als Taschenbuch aufgelegt wurden und einen Vorgeschmack für alle diejenigen bilden, die Twain noch nicht näher kennenlernen durften, und ein erfrischendes Dessert für seine Fans und Bewunderer.

Die Zusammenstellung der Kurzgeschichten, Aphorismen und Anekdoten sind Passagen aus anderen Veröffentlichungen sowie bisher unveröffentlichte Erzählungen und Skizzen, eine Mischung, die Lust auf mehr macht und die einen nicht nur lächeln, sondern lachen und gerne auch mal auf dem Boden herumkugeln lässt.

Gerade in diesen kleinen, feinen Sahnehäubchen kommt Twains skurriler und feinfühliger Charme besonders originell zum Vorschein. Caesars Ermordung wird zum bürokratischen Slapstick degradiert, die Millionen-Pfund-Note ist ein köstlicher Klassiker über die Macht und die Ohnmacht des Geldes und die Geschichten von bösen und guten Jungen zeigen, wie ernst es Twain mit der Beurteilung seiner Mitmenschen nahm. Ein absurdes Kaleidoskop herrlicher Kurzgeschichten, die wir so gut nur von Richard Brautigan zur besten Zeit der Beatniks erfahren durften.

Die Großartigkeit seiner Majestät Twain wurde schon oft gerühmt, die Meistererzählungen sind nomen et omen, die Erzählungen eines Meisters. Ein häufig zur Schau gestelltes Bonmot seines Daseins ist die Tatsache, dass Mark Twain, damals noch als Longhorne Clemens, just zu der Zeit geboren wurde, als der Halleysche Komet das erste Mal gesichtet wurde. Der berühmteste Sohn Floridas (und zwar des Ortes mit gleichnamigen Namen in dem US-Bundessstaat Missouri) sagte Zeit seines Lebens voraus, dass er diesen Komet noch einmal zu Gesicht bekäme. Wenige Tage, nachdem dieses berühmte Himmelsobjekt in seinem 74. Lebensjahr wieder am Himmel stand, verstarb Mark Twain und hinterließ einen nicht nur periodisch erscheinenden Glanz auf der Erde. Meisterlich!

Literaturangabe:

TWAIN, MARK: Meistererzählungen. Diogenes, Zürich 2010. 270 S., 8,90 €.

Weblink:

Diogenes


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