Von Hanns-Jochen Kaffsack
Finstere Ränkespiele hinter den ebenso hohen wie undurchdringlichen Mauern des Vatikans, das gab schon immer viel Stoff für die Gerüchteküche und auch für spannende Analysen ab. Das gilt auch heute noch: Wie kommt es, dass Papst Benedikt XVI. in den jetzt fünf Jahren seines Pontifikats so unverständliche und weltfremd wirkende Weichenstellungen vornahm? Wie konnte dieser deutsche Papst den erzkonservativen Pius-Brüdern samt dem Holocaust-Leugner Richard Williamson versöhnlich die Hand hinhalten? Der Autor und Journalist Hanspeter Oschwald hat seine Erklärung - fundamentalistische Mächte steuern den Vatikan. Und das alles „Im Namen des Heiligen Vaters“.
Zum fünften Jahrestag des Pontifikats in diesem Frühling ging es fast nur um den Missbrauchsskandal in Kircheneinrichtungen vor allem Deutschlands und Irlands. Deutschland hatte sich nach anfänglicher Euphorie schon längst ein Stück weit von Joseph Ratzinger abgewandt, der mit kritikwürdigen Äußerungen auch viele Juden und Muslime gegen sich aufbrachte. Der konservative Theologieprofessor war nach dem Tod von Johannes Paul II. als „Bewahrer“ auf den Stuhl Petri gekommen - nicht als Reformer. „Tür und Tor waren [...] bereits weit geöffnet für reaktionäre Gruppen, als Ratzinger am 19. April 2005 zum Papst Benedikt XVI. gewählt wurde“, formuliert Oschwald es noch schärfer.
Joseph Ratzinger war dann von Anfang an von den „rechten Papstmachern“ im Vatikan abhängig, meint der Autor und geht in einer Reihe von Kapiteln jenen ganz besonders geheimnisumwobenen und umstrittenen Bewegungen nach, vor allem dem Opus Dei, den Legionären Christi und den weniger bekannten Focolarini. Sie kämpften Fuß um Fuß um die Macht in Rom, seien sektengleich und wollten den Teufel aus der Kirche vertreiben: Die Fundamentalisten hassten das Zweite Vatikanische Konzil 1962-65 mit seinen Reformen. Ihr Kurs scheint rückwärtsgewandt, auf eine elitäre Rumpfkirche zu. „Das autoritäre, auf sich selbst bezogene Rom vergisst dabei völlig, dass es um die Menschen und ihren zeitgemäßen Glauben geht“, beklagt der Autor.
Zwar ist Kritik am Papst wohlfeil in diesen Zeiten. Und dennoch ist es verdienstvoll, was Oschwald aus dem Gestrüpp der vatikanischen Geheimnistuerei an Indizien zusammengetragen hat. Ob der „Geheimbund“ Opus Dei wirklich derzeit an Macht im Vatikan noch zulegt, ist jedoch unter Vatikanisten durchaus umstritten – jeder hat seine mehr oder zumeist auch weniger offenen Quellen, fertigt seine eigenen Analysen. Unbestritten ist, dass Benedikt aus Sorge um seine Milliarden-Kirche die Einheit besonders hochhält – und das vor allem am rechten Rand.
Klar ist, dass es schwerwiegende „Kommunikationspannen“ im Vatikan gab, Benedikt, in einsamer Höhe im Vatikan, wiederholt schlecht oder nicht beraten war. Dass der Ex-Chef der Glaubenskongregation zutiefst konservativ denkt, so wie Johannes Paul II., bedauern viele. Ein Reformer wird Benedikt (83) kaum noch werden.
Eine starke Antriebsfeder seiner niederschmetternden Bilanz gibt Oschwald so preis: Er hatte in den Tagen der Papstwahl im Frühjahr 2005 das Kalkül, Ratzinger werde die Kirche „regelrecht gegen die Wand fahren“. Und danach erst, so Oschwalds Hoffnung, werde der Weg angesichts des Scherbenhaufens frei sein für wirkliche Reformen. Die Stoßrichtung liegt somit offen, dieses Buch ist auch ein emotionales Plädoyer für Neubeginn und Volkskirche, will nicht nur kühl sezieren.
Literaturangabe:
OSCHWALD, HANSPETER: Im Namen des Heiligen Vaters. Wie fundamentalistische Kräfte den Vatikan steuern. Heyne Verlag, München 2010. 384 S., 19,95 €.
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