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Im Portrait: Sarah Kirsch

„Mir wurde ganz chinesisch zu Mut“

© Die Berliner Literaturkritik, 16.04.11

Von Volker Strebel

Als in der DDR Sarah Kirsch als junge Lyrikerin mit ihrem eigenen Ton auf sich aufmerksam gemacht hatte, spöttelte Peter Hacks mit dem vielzitierten Ausspruch vom „Sarah-Sound“. Im Westen lobte Marcel Reich-Ranicki Sarah Kirsch über die Maßen und verlieh ihr den ehrenwerten Titel „Der Droste jüngere Schwester“.

Ingrid Bernstein wurde am 16.04.1935 in Limlingerode geboren. Acht Jahre war sie mit dem Schriftsteller Rainer Kirsch verheiratet. Den Künstlervornamen Sarah wählte sie in Erinnerung an den Holocaust.

1958 beendete Sarah Kirsch ihr erstes Studium in Halle an der Saale als Diplom-Biologin. Ab 1960 Veröffentlichungen von Natur- und Liebeslyrik in Zeitschriften und Sammelbänden. Zusammen mit Rainer Kirsch 1963 bis 1965 Studium am Literaturinstitut „Johannes R. Becher “ in Leipzig. Sarah Kirsch wird freie Schriftstellerin und Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR. 1967 erschien ihr erster Gedichtband „Landaufenthalt“.

1977 hatte sie im Zuge der Biermann-Ausbürgerung der DDR den Rücken gekehrt, um sich nach einigen Zwischenstationen in Schleswig-Holstein auf dem Lande niederzulassen. In Tielenhemme, Kreis Dithmarschen bewohnt Sarah Kirsch ein ehemaliges Dorfschulhaus. „Es war das Licht dort“ äußerte sie sich dazu in einem Interview. 

In den folgenden 20 Jahren veröffentlichte Sarah Kirsch fast im Jahresrhythmus Gedicht- aber auch Prosabändchen, wie u.a. „Wintergedichte“(1978), „Allerlei-Rauh“(1988), „Schwingrasen“(1991) oder „Erlkönigs Tochter“(1992) die mit über zwei Dutzend bedeutenden Literaturpreisen versehen wurden.

Mit „Wasserbilder“ (1994) und „Nachtsonne“(1995) lagen im Postkartenformat Sammlungen von Gedichten, Malereien und Photos von Sarah Kirsch vor, die sie als „gemischte Bündel“ umschrieb. Sarah Kirschs poetische Ausdruckskraft prägen auch ihre zahlreichen Aquarelle und Bilder.

Kennzeichnend ist die Leidenschaft, mit der sich Sarah Kirsch ihren Texten widmet: „Habe an Texten gesessen, Allerlei aus dem Journalergebiet herausgefischt und mit Luft verschnitten. Das ist herrlich, vergeht das Leben im Traum. Was du liest, was du denkst, was du hörst bei der Arbeit – alles in mindestens drei Etagen was du erlebst“.

Dabei ist Sarah Kirsch keine unpolitische Dichterin vom Lande. Als Anfang der 1990er Jahre die Zusammenführung der beiden deutschen Akademien der Künste in Berlin beschlossen wurde, winkte sie ab. An den Präsidenten Walter Jens verwahrt sie sich über eine derartige Zuwahl. Diese sei „unter waltenden Umständen weiß Gott! keine Ehre. Ich lehne ab. Wird diese Akademie doch in absehbarer Zukunft eine Schlupfbude für ehemalige Staatsdichter und Zuträger der Staatssicherheit sein“.

In den letzten Jahren legte Sarah Kirsch mit „Regenkatze“(2007) oder „Sommerhütchen“(2008) Tagebuchaufzeichnungen vor. Da müssen Handwerker bestellt werden, dann wieder berichtet Kirsch von ihrer Lektüre, erinnert sich an alte Zeiten in der DDR oder schildert Wolken, Pflanzen und Vögel auf ihren täglichen Spaziergängen draußen am Land. 

Souverän beherrscht Sarah Kirsch ihr Spiel mit der Sprache. Sie gurrt je nach Bedarf im lässigen Slang und bedient in hochgestochener Pathetik romantische Sprachbilder. Was auf den ersten Blick zuweilen schnoddrig wirkt, erweist sich bei näherem Hinsehen als kunstvoll komponiert. 

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Kirschs künstlerische Verarbeitung bezieht alle Sinne der Wahrnehmung ein. In poetischen Notizen wie „Kommt ein Schnee im Sturm geflogen“(2005) verschmelzen Poesie und Prosa. Meisterhaft versteht es Sarah Kirsch, in scheinbar dahinskizzierten Sätzen einen großen Spannungsbogen aufzuziehen.

Den Atem raubt aber immer noch Sarah Kirschs Fähigkeit, einer alltäglichen Wirklichkeit der Natur ihren geheimen Zauber zu entlocken - „sah mich am Mittag der Pirol, solch hübschet Vieh mit orangefarbenem Schnabel, mir wurde ganz chinesisch zu Mut“.

Seit dem Jahr 2000 hat der Föderverein „Dichterstätte Sarah Kirsch“ seinen Sitz im ehemaligen Geburtshaus der Dichterin in Limlingerode.

 


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