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Im Schatten der Malerei

Der Maler und seine große Liebe

© Die Berliner Literaturkritik, 23.02.11

MÜNCHEN (BLK) –  Der Roman „Die Frau im grünen Kleid“ von Stephanie Cowell ist im Oktober 2010 im Droemer Verlag erschienen. Aus dem Amerikanischen hat ihn Susanne Aeckerle übersetzt.

Klappentext: Dämmerung setzt ein, als der Schein einer Schaufensterlampe den jungen, noch unbekannten Maler Claude Monet in eine Pariser Buchhandlung lockt. Dort lernt er Camille Doncieux, ein Mädchen aus reichem Hause, kennen und verfällt vom ersten Augenblick an ihrer Schönheit. Um ihre Liebe leben zu können, müssen sich die beiden gegen alle gesellschaftlichen Konventionen durchsetzen. Doch schon bald stellt sich heraus, dass ihr Glück vielmehr von Monets maßloser Leidenschaft zur Malerei überschattet wird …

Stephanie Cowell wurde in New York geboren und widmete sich bereits in frühester Jugend der Schriftstellerei. Trotz ihrer Neigung ließ sie sich später dann als Koloratursopranistin ausbilden und trat anschließend in vielen Operninszenierungen und als Liedsängerin auf. Doch später fand sie wieder zum Schreiben zurück und lebt heute mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen als Schriftstellerin in New York.

Leseprobe:

©Droemer©

 

 Präludium

GIVERNY

Juli 1908

Die tiefstehende Sonne warf ihren Glanz auf die Kupfertöpfe an der Küchenwand. Der alte Maler trank seinen Wein und rauchte eine Zigarette, vor sich auf dem Tisch einen im Zorn zerknüllten Brief. Durch das offene Fenster hörte er das Summen der Insekten über einem der Blumenbeete und die Stimmen des Gärtners und seines Sohnes, die sich leise unterhielten, während sie ihren Schubkarren über die Wege des weitläufi gen Gartens schoben.

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Er hatte wieder seinen Seerosenteich malen wollen, doch nach dem Eintreffen des Briefes konnte er nicht mehr arbeiten. Selbst jetzt spürte er noch die bitteren Worte von der Tinte aufsteigen. „Warum schreiben Sie mir nach all diesen Jahren, Monet? Ich mache Sie nach wie vor für den Tod meiner Schwester Camille verantwortlich. Zwischen uns wird es nie zu einer Versöhnung kommen.“

Draußen neigte sich der Tag dem Ende entgegen, und es duftete süß nach Gräsern und Rosen. Der Maler trank seinen Wein aus, erhob sich plötzlich, glättete den Brief und steckte ihn in die Tasche. „Du törichte Frau“, murmelte er. „Du hast es nie begriffen.“ Mit gesenktem Kopf ging er die Treppe zum oberen Stockwerk unter dem schrägen Dach hinauf und den Flur entlang zu der verschlossenen Tür. In diesem kleinen Atelier hatte er für kurze Zeit gearbeitet, als er vor Jahren hier eingezogen war, und er  konnte sich nicht erinnern, wann er es zum letzten Mal betreten hatte.

Staub bedeckte die halb aufgebrauchten Farbtuben auf dem Tisch, Spachtel und Pinsel jeder Größe steckten in Gläsern. Aufgerollte Leinwand und Holz für Keilrahmen lehnten an der Wand. Hinter dem Tisch war eine zweite Tür, die in ein kleineres Zimmer mit einer weiteren Staffelei und einem mit blauem Samt bezogenen Lehnstuhl führte. Er ließ sich darauf nieder, legte die Hände auf die Knie und blickte sich um.

Dieses Zimmer war mit Bildern von Camille angefüllt.

Eines zeigte sie beim Sticken im Garten mit einem Kind zu ihren Füßen, ein weiteres lesend im Gras, den Rücken an einen Baum gelehnt, durch dessen Blätter die Sonne auf ihr helles Kleid fi el. Sie war so schwer zu fassen wie das Licht. Man versuchte es zu greifen, und es bewegte sich, man wollte die Arme darum schlingen und merkte, dass es verschwunden war.

Viele Jahre waren vergangen, seit er Camille in der Buchhandlung gefunden hatte. Er sah sich, wie er damals war, von recht passablem Äußeren, mit dunklem Bart, dunklen, funkelnden Augen, eine wenig prahlerisch – ein junger Mann, der nicht an allzu vielen Selbstzweifeln litt und trotzdem etwas schüchtern war. Die genauen Worte, die sie damals gewechselt hatten, waren ihm entfallen, und als er sich daran zu erinnern versuchte, verschwammen sie. Doch er erinnerte sich deutlich an den atemlosen Ton ihrer Stimme, die Anmut ihres Halses, die langen Finger und dass sie ein wenig gestottert hatte.

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Da hing das erste Porträt, das er von ihr gemalt hatte, als sie gerade neunzehn war. Hoch aufgerichtet stand sie da, in dem grünen Promenadenkleid mit der langen Schleppe, den Blick über die Schulter gewandt, wunderschön, herablassend, so wie sie vor fast einem halben Jahrhundert auf ihn gewirkt hatte. Er erhob sich und berührte vorsichtig die Leinwand. Manchmal träumte er, Camille in den Armen zu halten, sich im Bett nur umdrehen zu müssen, und sie wäre da. Aber sie war fort, und er war alt. Fast siebzig Jahre. Unter den Fingern spürte er nur kalte Farbe. „Ma très chère …

Dämmerung setzte ein und ließ die Bilder verschwimmen. Er tastete nach dem Brief in seiner Tasche. »Ich habe dich so geliebt «, sagte er. „Ich wollte nie, dass es so endet. Du warst dabei, als alles begann, du hast uns allen Mut gemacht. Diese Gärten in Giverny sind für dich, aber ich bin alt, und du wirst ewig jung sein und sie niemals sehen. Ich werde noch einmal an deine Schwester in ihrem Laden in Paris schreiben. Sie muss es begreifen, sie muss erfahren, wie es war.“

Draußen senkte sich das Zwielicht über den Garten, und die Seerosen würden ihre Blüten für die Nacht schließen. Er wischte sich über die Augen und setzte sich für eine Weile wieder auf im Lehnstuhl, um sich zu beruhigen. Nach einem letzten Blick verließ er das Atelier und ging langsam die Treppe hinunter.

©Droemer©

Literaturangabe:

COWELL, STEPHANIE: Die Frau im grünen Kleid. Aus dem Amerikanischen von Susanne Aeckerle. Droemer Verlag, München 2010. 416 S., 18 €.

Weblink:

Droemer

 


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