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Im Schatten Heinrich Heines

Ein biographischer Roman über Heines letzte Geliebte

© Die Berliner Literaturkritik, 20.07.09

Von Frauke Kaberka

Man tut ihr bitter Unrecht, wenn man sie auf ihre Rolle in Heinrich Heines Leben reduziert. Doch vor allem deswegen ist „die Mouche“ (franz.: die Fliege), wie sie von dem großen deutschen Dichter (1797-1856) genannt wurde, noch heute bekannt. Schuld daran ist sie selbst: Tat sie doch alles, um ihr recht seltsames und sehr eigenständiges Leben zu verschleiern und zu mystifizieren. Für Biografen ist es ein schwieriges Unterfangen, die Vita der bei Torgau (Sachsen) geborenen Johanna Christiana Müller (1825-1896) wirklichkeitsgetreu wiederzugeben. Nun hat die Literaturwissenschaftlerin Heidi Urbahn de Jauregui einen erneuten Versuch unternommen, den Spuren dieser Frau zu folgen und ihrem Leben und Werk gerecht zu werden — in dem biografischen Roman „Dichterliebe“.

Seinen Hang zur Wandlung wurde dem Mädchen praktisch in die Wiege gelegt, denn schon der leibliche Vater ließ das Kind nach dem Tod der Mutter — kurz bevor er es zur Adaption freigab — amtlich umbenennen. Aus Johanna Christiana wurde Adolphine Emilie Elise, die fortan als Elise Krinitz mit ihrer neuen Familie in Paris lebte. Später wird sie dann auch noch als Margot, Margareth und vor allem als Camille Selden in Boheme- und Literaturkreisen des 19. Jahrhunderts bekannt. Das alles ist in vielen Büchern nachzulesen. Wie sich aber Heidi Urbahn de Jauregui dem Stoff genähert hat, ist außergewöhnlich und ganz wunderbar.

Die Autorin schlüpft in Männerkleidung und lässt sich als der Philologe Matthias Rabuhn auf die Lebensgeschichte Elise Krinitz' ein. Nicht ohne Hintergedanken: Urbahn de Jauregui karikiert somit elegant die allgemein übliche männliche Sichtweise auf Frauenschicksale. Und setzt noch eins obendrauf: In Gestalt der kritischen Rabuhn-Freundin Madeleine gibt sie sich selbst Contras und mixt geschickt mögliche Denk- und Handlungsweisen jener Frau, die so gern etwas Besonderes sein und leisten wollte.

Besonders war Elise Krinitz durchaus und ganz gewiss etwas spleenig, wie man heute sagen würde. Nicht nur, dass sie ihr Alter verschleierte. Das ehelich geborene Mädchen machte sich auch noch selbst zum „Bastard“, allerdings als illegitimer Spross eines Adeligen (zeitweise nannte sie sich daher auch Elise de Krinitz). Und als Geburtsort gab sie mal Österreich, mal Ungarn und auch mal Prag an.

Vor allem aber strebte Elise Krinitz nach „Höherem“. Sie suchte die Nähe prominenter Männer, möglichst von Literaten. Denn auch sie hatte literarische Ambitionen — die sie allerdings erst nach ihrer Zeit mit Heine unter dem Namen Camille Selden umsetzte — mit Unterstützung ihres nächsten Geliebten, des französischen Philosophen, Historikers und Kritikers Hippolyte Taine (1828-1893), der ihre Veröffentlichungen mit positiven Kritiken förderte.

Für Heine empfand sie echte Bewunderung und Zuneigung, auch wenn sie später nicht bestritt, die Nähe des damals vor allem in Frankreich beliebten Dichters bewusst gesucht zu haben, um sich ein wenig in seinem Glanz zu sonnen. Und obwohl die Liebe zu dem schwerkranken Mann nur etwa acht Monate bis zu seinem Tod währte, war sie ihm doch innig verbunden — im Geiste. Heine selbst hat seiner „Mouche“ mehrere Briefe und Gedichte gewidmet, die durchblicken lassen, wie sehr ihm die körperliche Nähe zur „Mouche“ fehlte und wie groß sein sexuelles Verlangen nach ihr war. Tatsache ist — und das stellt auch Urbahn de Jauregui heraus — dass Elise Krinitz von der Verbindung mit Heinrich Heine erheblich profitierte — zumindest zeitweise.

Heidi Urbahn de Jauregui hat für diesen biografischen Roman, dem zweijährige wissenschaftliche Studien vorausgingen, eine besonders schöne Sprache gefunden: Altmodisch trifft es nicht ganz. Zwar drückt sie sich im Stil der Handlungszeit aus, was einen reizvollen Kontrast zur (heutigen) Entstehungszeit der Arbeit Matthias Rabuhns bildet. Aber die leise, liebevolle Ironie, mit der sie an die Person Elise Krinitz herangeht, hat etwas sehr Modernes. Und erinnert doch gleichzeitig an den scharfzüngigen Heine, dem die Bekanntheit dieser Frau letztendlich wohl zu verdanken ist.

„Dichterliebe“ ist ein großartiger Roman, der nicht nur wissenschaftlich fundiert ist, sondern mit einer unterschätzten selbstbewussten Frau bekanntmacht und auch detailliert über die Zeit im damaligen Frankreich informiert, die von Revolutionen und emanzipatorischen Ideen geprägt war.

Literaturangabe:

URBAHN DE JAUREGUI, HEIDI: Dichterliebe. Leben und Werk von Heinrich Heines letzter Geliebter, der „Mouche“. Verlag André Thiele, Mainz 2009. 386 S., 18,90 €.

Weblink:

Verlag André Thiele


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