Leseprobe: „Das“ von Inger Christensen
© Kleinheinrich Verlag ©
PROLOGOS
Das. Das war es. Jetzt hat es begonnen. Es ist. Es währt fort. Bewegt sich. Weiter. Wird. Wird zu dem und dem und dem. Geht weiter als das. Wird andres. Wird mehr. Kombiniert andres mit mehr und wird fortwährend andres und mehr. Geht weiter als das. Wird andres als andres und mehr. Wird etwas. Etwas neues. Etwas immer neueres. Wird im nächsten nu so neu wie es nur werden kann. Stellt sich dar. Flaniert. Berührt, wird berührt. Fängt loses material ein. Wächst größer und größer heran. Erhöht seine sicherheit indem es als mehr existiert denn es selbst, bekommt gewicht, bekommt geschwindigkeit, bekommt in der geschwindigkeit mehr mit, geht vor andres, über andres hinaus, das aufgesammelt, aufgeschluckt, schnell belastet wird mit dem was zuerst kam, so zufällig begann. Das war es. So andres jetzt da es begonnen hat. So verändert. Schon unterschied zwischen dem und dem, da nichts ist, was es war. Schon zeit zwischen dem und dem, zwischen hier und dort, zwischen vorher und jetzt. Schon die ausdehnung des raums von dem zu dem andern, zu mehr, zu etwas, etwas neuem, das nun, in diesem nu, war, das im nächsten nu ist und fortwährt. (...)
LOGOS
DIE BÜHNE symmetrien
1
Öde ohne daß jemand jemals da war,
starb und dann nicht mehr da war;
da war ohne an einem weder bestimmten
noch zufälligen ort zu sein,
ohne zufällig zu sein durch seine
fehlende ortlosigkeit,
ohne bestimmt zu sein durch seine
ortlosigkeit,
ohne bestimmung, zufällig oder nicht.
Wie das reine sein wo nichts ist.
Außen: all das dreckige
die geschwindigkeit der tod das zerstörte die worte
der saft der anfang die verwirrung: innen.
(...)
DIE HANDLUNG transitivitäten
(...)
2
Ihr verkehr mit sonnen und andern zufälligen gestirnen
hat sie gelehrt mit der grauen trägheit der massen zu rechnen
Sie bauen eine kirche aus schlacken von ausgebrannten gehirnen
und setzen auf allerart statisch bestimmte strategie
Es handelt sich um ängstliche und aufgedunsene kleine kardinäle
die glauben sie könnten daherkommen und behaupten die sonne sei schwarz
Das schlimmste ist nur: je mehr sie krähen
desto weiter wird die sonne der massen vertrieben
Es handelt sich um feige und überbewusste schakale
die behaupten alles sei gerecht natürlich und gut
Sie verschlingen das fleisch das die andern mit mühe bezahlen
weil diese andern ihre meinungen geschluckt haben
Es handelt sich um engel die blasierten kondoren ähneln
Sie begegnen jedem mit einem ungeheuer liebenswerten lächeln
Sie haben ihren platz in den verkehrten büros in aller welt
Aber die masse muß den idiosynkratischen stil lernen!
(...)
DER TEXT universalitäten
1
Ich sehe daß ich dasitze und schreibe
Sehe es geschrieben werden Sehe das geschriebene
Lese und sehe das gelesene
Sehe wieder die stille vornean
Sehe sie meine schrift einstellen
Im schreibenden geschriebenen verschwinden
Sich selbst lesen
Beginnen sich selbst zuzurufen
(...)
EPILOGOS
Das
Das ist es
Es ist das ganze
Es ist das ganze in einer menge
Es ist das ganze in einer menge verschiedenes
Es ist das ganze in einer menge verschiedener menschen
In der angst
Aber es ist keine ganzheit
Es ist gar nicht fertig
Es ist nicht vorbei
Und es hat nicht begonnen
Es beginnt
In der angst
In der angst wie ein ausruhn
Angst davor allein zu sein
Angst davor zusammen zu sein
Angst vor dem abgeschlossenen
Angst vor dem unabgeschlossenen
Angst vor dem geschlecht
Angst vor dem tode
beginnt überall
überall in einem menschen
einem menschen dessen gesicht
ein viel kleineres gesicht wird
fluchtpunkt
für sein eignes verschwinden
in einem menschen
dessen nach innen gekehrte gesichte
aus dem raum zurückkehren
als realitäten
Und das ergebnis
das zerschmetterte gesicht
eine ganzheit aus knochenstaub und blut
aus flüssigkeit aus den augen
vermsicht mit schleim
aus den übrigen hohlräumen
vermischt mit gewebe und häutchen
fasern zahnschmelz und zungenklumpen
in einem gesättigten bildlosen ausruhn
fürs gemüt
die angst inkorporiert
(...)
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Literaturangaben:
CHRISTENSEN, INGER: det/das. Übersetzt aus dem Dänischen von Hanns Grössel. Kleinheinrich Verlag, Münster 2008. 464 S., 45 €.
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