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Ingo Schulzes neuer Roman „Adam und Evelyn“ ist erschienen

Ingo Schulze hat einen sehr lesenswerten Roman geschrieben

© Die Berliner Literaturkritik, 02.09.08

 

Von Frauke Kaberka

Auf einmal sind sie wieder da, die Gedanken, Zwiespälte, die Hoffnungen und Ängste vieler Ostdeutscher, die sie im Sommer 1989 durchleben. Schlupflöcher in die Freiheit via Tschechoslowakei und Ungarn tun sich auf. Ein unglaublicher Exodus in den Westen beginnt.

Das allgemeine politische Gefühlschaos tangiert Adam und Evelyn allerdings zunächst nur sekundär. Evelyn flüchtet zwar auch, aber aus ihrer ganz persönlichen Krise. Adams Untreue treibt sie ins Magyarenland, an den Plattensee, zusammen mit Freundin Simone und deren Wessi-Cousin Michael. Adam reist hinterher und gabelt unterwegs die zur Ausreise entschlossene Katja auf. Und so verweben sich die Handlungsstränge um Sünden- und Mauerfall zu einer intelligenten Geschichte, die Autor Ingo Schulze „Adam und Evelyn“ nennt. Dass der 1962 in Dresden geborene Philologe dabei mehrdeutig die biblische Vertreibung aus dem Paradies nach dem Sündenfall bemüht, ist schlicht genial.

Und so wird der Urlaub am Balaton für das Fünfergespann nicht nur zu einer literarischen Analyse der unterschiedlichsten Gefühlswelten, sondern auch der verschiedenen Sichtweisen auf beide deutschen Staaten, oft in Dialogform. Adam - alles andere als systemtreu - hat nicht die Absicht, der DDR den Rücken zu kehren. Der erfolgreiche Damenschneider hat sich arrangiert. Er kennt seinen Marktwert, lebt gut und ohne große Ansprüche. Zu seinem Glück allerdings braucht er Evelyn. Doch die will endlich ihren Traum vom Kunststudium verwirklichen und liebäugelt inzwischen durchaus mit dem „illegalen Grenzübertritt“ nach Österreich. Allerdings ist sie hin- und hergerissen zwischen dem Angebot Michaels, ihres neuen Lovers, sie in die Freiheit zu schmuggeln, und ihren Gefühlen für Adam, der sie hartnäckig umwirbt und anscheinend seine (um)triebige Natur zu zügeln weiß. Zum Schluss landen sie alle bis auf Simone in Westdeutschland.

Und damit beginnt Adams Metamorphose vom zufriedenen Maßschneider zum zweifelnden unglücklichen Mann - aus mehreren Gründen: Zum einem wirft er sich vor, nicht bei Demonstrationen und Umsturz in der DDR dabei zu sein, sondern dass er als passiver Flüchtling das Geschehen am Fernseher verfolgt. Zum anderen ist seine Kunst, aus jeder Frau durch richtige Kleidung eine Attraktion zu machen, im Westen nicht gefragt. Man geht lieber ins Kaufhaus und greift zu Konfektion. Und er begreift, dass selbst der popeligste Westdeutsche einen höheren Stellenwert hat, weil er Westdeutscher ist - zumindest bei vielen Bundesbürgern. Ja, und dann die endlich geglückte Rückeroberung von Evelyn im neuen Umfeld ist auch überhaupt nicht vergleichbar mit den glücklichen Tagen von früher...

Bei allen nachdenklichen Tönen - das Buch macht keineswegs trübsinnig. Vielmehr ist es ein Lesevergnügen, hintergründig, kurzweilig, flott und amüsant geschrieben. Und erinnert in wunderbar beiläufiger Weise daran, warum einst die Wiedervereinigung von so vielen ersehnt wurde. Kurz: Das Buch ist ein Muss - nicht nur für Zweifler.

Literaturangaben:
SCHULZE, INGO: Adam und Evelyn. Berlin Verlag, Berlin 2008. 314 S., 18 €.

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