Von Andreas Heimann
Der Titel des Buches verheißt nicht gerade leichte Kost und unterhaltsame Lektüre. Aber „Die Schatten der Ideen“ sind kein Handbuch zur Philosophiegeschichte. Klaus Modicks neuer Roman ist so intelligent erzählt wie gewohnt und kein bisschen sperrig. Und auch das zentrale Thema, die Gefahren für eine demokratische Gesellschaft durch Dogmatismus und ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis wie in den USA der Bush-Ära, ist aktuell.
Typisch für Modick ist die Technik, mehrere Geschichten parallel zu erzählen und zunehmend miteinander zu verweben. Das ist im neuen Roman nicht anders: Da ist zum einen Julius Steinberg, Historiker aus jüdischer Familie, der im „Dritten Reich“ Deutschland verlassen muss und sich in den USA als Barkeeper und Holzfäller durchschlägt. Er findet zwar schließlich die Liebe seines Lebens und eine Stelle an einer Hochschule in Vermont, bekommt in der Nachkriegszeit als „Liberaler“ aber auch politische Schwierigkeiten.
Und da ist Moritz Carlsen, Schriftsteller mit Schreibblockade, der das Angebot erhält, während des Irakkrieges als Dozent ans Centerville College in Vermont zu gehen. Ein halbes Jahrhundert zuvor hat Steinberg dort unterrichtet. Carlsen wohnt nicht nur in seinem früheren Haus, er findet auch die Aufzeichnungen aus der Zeit, als Steinberg im State Prison von Vermont inhaftiert war. Fast nebenbei erzählt Modick auch von Carl Zuckmayer, der vor den Nazis nach Vermont geflohen war und dort zurückgezogen auf einer Farm lebte.
Die drei Geschichten haben zunächst wenig miteinander zu tun. Aber es geht um ganz ähnliche Erfahrungen. Modick hat sich dafür entschieden, sie alle zu erzählen und nicht nur eine von ihnen, weil ihm an einem differenzierten Blick auf die USA gelegen ist. Der Schriftsteller hat dort selbst insgesamt mehr als drei Jahre gelebt und wie sein Alter Ego Moritz Carlsen auch an einer Hochschule in Vermont unterrichtet.
Aber im Mittelpunkt des Romans stehen doch die irritierenden Seiten der amerikanischen Gesellschaft, die sowohl Steinberg als auch Carlsen zu spüren bekommen: Vor Manhattan steht zwar die Freiheitsstatue. Doch dass die Freiheit immer auch die der Andersdenkenden ist, gerät selbst im „Land of the free“ manchmal in Vergessenheit. Steinberg, der vor den Nazis geflohen ist, wird in der McCarthy-Ära wie Tausende andere „unamerikanischer Umtriebe“ verdächtigt. Zu Beginn des Kalten Krieges reichte dafür schon, Gewerkschafter zu sein oder als Kommunist zu gelten. Seine Geschichte hat kein Happy End.
Tatsächlich also keine leichte Kost. Aber Modick schreibt, dem nicht gerade massenkompatiblen und bei Giordano Bruno entliehenen Titel zum Trotz, mit der ihn auszeichnenden Fähigkeit, abstrakte Themen zu anschaulichen Geschichten werden zu lassen. Auch das macht den Roman lesenswert.
Literaturangaben:
MODICK, KLAUS: Die Schatten der Ideen. Roman. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008. 455 S., 19,95 €.
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