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Intimität gegen Literatur

Anlässlich der Hörspieltage in Karlsruhe berichten Menschen von ihrem Leben

© Die Berliner Literaturkritik, 06.11.09

Von Miriam Steinbach

KARLSRUHE (BLK) - So leicht hat sich Marie noch nie ein Buch „gekauft“: Um den Kitsch-Roman zu bekommen, soll die 25-Jährige beim „Intimflohmarkt“ lediglich sechs Minuten lang der Künstlerin Alexandra Müller eine private Geschichte ins Mikrofon erzählen. „Was ist dein erster Gedanke, wenn es um unerfüllte Liebe geht?“, fragt Müller die junge Frau. „Oh, darüber zu reden ist gar kein Problem für mich“, sagt sie mit einem Schmunzeln. „Wenn es um Katastrophen in der Liebe geht, bin ich Expertin“, meint sie und beginnt ihre Geschichte von Ben zu erzählen. Dieser Flohmarkt der etwas anderen Art wird seit Donnerstag anlässlich der ARD-Hörspieltage in Karlsruhe in einem Truck vor dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) veranstaltet. Die Aktion läuft bis Samstag.

„Verschwende deine Daten“: Beim „Intimflohmarkt“ können Plauderwillige ihre intimsten Geheimnisse loswerden – gegen Bezahlung. „Zwischen 5 und 15 Minuten lang sollten die privaten Details sein“, sagt Müller. „Die Bezahlung hängt davon ab, wie lange und was ein Flohmarktbesucher erzählt“, erklärt die junge Künstlerin. Konkret: Für ein Buch von Barbara Wood müssen die Flohmarktbesucher sechs Minuten über Abtreibung sprechen. Oder für ein rotes Marken-Shirt eine siebenminütige Geschichte ausbreiten über eine Sache, die man bereut.

Lustige, kuriose oder auch traurige Erlebnisse: „Ein Mädchen hat richtig zugeschlagen“, erzählt Müller, die sich selbst bereits mehrmals als öffentliche Person inszeniert hat. „Die junge Frau war heroinabhängig, schwanger und ist erst im achten Monat von ihrer Sucht losgekommen.“ Für dieses Drama habe das Mädchen warme Kleidung für sich selbst erhalten. „Und einen Kapuzenpulli für ihren Freund, der gerade aus dem Gefängnis kam“.

Die Konsumrealität wird zum Kunstobjekt: „Die Idee zu diesem Flohmarkt kam mir, als ich bemerkte, wie viele Menschen ihre Daten im Internet preisgeben, um bei einem sozialen Netzwerk Mitglied zu sein“, erklärt die 26-jährige Künstlerin. Sie hofft, dass sich der ein oder andere nach dem „Intimflohmarktbesuch“ Gedanken darüber macht, was mit seinen Daten im Internet eigentlich passiert. „Das wäre ein schöner Nebeneffekt“. Sie veröffentlicht die intimen Geschichten nur, wenn die Autoren einverstanden sind.

Karlsruhe ist nicht der erste Ort, an dem Müller einen „Intimflohmarkt“ veranstaltet: In Berlin hat sie bereits über 100 verschiedene Geschichten gesammelt. „Es waren vor allem junge Frauen zwischen 20 und 30 Jahren, die mir ihre Geheimnisse erzählt haben“, sagt die Künstlerin. Was macht sie mit den vielen ihr anvertrauten Details? „Die verschiedenen Geschichten schneide ich zu einem Hörspiel zusammen“, sagt Müller.

Darunter wird dann auch Maries Geschichte um ihre unerfüllte Liebe zu Ben sein. Das Resümee ihrer sechsminütigen Geschichte: „Ben und ich haben uns in Irland kennen gelernt, alles war so toll, aber dann“, sagt die junge Studentin, „dann, habe ich es mir mit meiner Eifersucht selbst so richtig vergurkt“.

Das intime Hörspiel mit den privaten Geschichten aus Karlsruhe wird am Juni 2010 um 19.20 Uhr in „SWR2 Dschungel“ ausgestrahlt. Plaudertaschen können ihre Geschichten Alexandra Müller noch am Freitag (15.00 bis 22.00 Uhr) und am Samstag (11.00 bis 20.00 Uhr) erzählen.


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