TEL AVIV (BLK) - Israel fordert vom deutschen Literaturarchiv in Marbach die Herausgabe des Originalmanuskripts „Der Prozess“ vom jüdischen Schriftsteller Franz Kafka. Die Rückgabe würde eine andauernde historische Ungerechtigkeit korrigieren, zitiert die israelische Tageszeitung „Haaretz“ am Freitag (16.10.) den Direktor er israelischen Nationalbibliothek, Schmuel Har Noy.
Die Forderung soll in der kommenden Woche offiziell der deutschen Seite übergeben werden. Israel hat aus Sicht von Har Noy allein einen Rechtsanspruch auf das Manuskript, das 1988 für rund zwei Millionen Dollar von einer Privatperson verkauft worden war. Der Anwalt der Nationalbibliothek Meir Heller sagte: „Das deutsche Archiv wusste, dass es ein Problem mit diesem Manuskript gibt, als es vor mehr als 20 Jahren dieses Manuskript erhielt, aber es hält scheinheilig an der Behauptung fest, dass es legal erworben wurde“, sagte Heller.
Der Fall sorgt in Israel für einiges Aufsehen, weil „Der Prozess“ jetzt sogar in Tel Aviv zum Gerichtsfall geworden ist. Die Israelische Nationalbibliothek kämpft um die Rechte an unbekannten Texten des jüdischen Schriftstellers Franz Kafka. Damit soll verhindert werden, dass zwei ältere Privaterbinnen die Texte aus dem Nachlass von Kafkas Verleger Max Brod ins Ausland verkaufen.
Vor seinem Tod 1924 hatte Franz Kafka seinen Freund Max Brod gebeten, seine Werke zu verbrennen. Dieser brachte sie jedoch zur Veröffentlichung und Kafka errang Weltruhm. Brod musste 1939 vor den Nationalsozialisten aus Prag nach Israel fliehen. In einem Koffer hatte er die Werke von Kafka dabei.
Nach Brods Tod 1968 ging der Nachlass mit vielen Kafka-Texten an seine ehemalige Sekretärin, Esther Hoffe. Hoffe verkaufte einen Teil der Texte, darunter 1988 den „Prozess“ für etwa zwei Millionen Dollar, einen anderen Teil bewahrte sie in Safes in Israel und der Schweiz auf. Nach ihrem Tod vor zwei Jahren im Alter von 101 Jahren vererbte sie den Brod-Nachlass an ihre Töchter Ruth und Hava, beide Holocaust-Überlebende. Die etwa 80 Jahre alten Damen können nun wegen der juristischen Kämpfe ihr gesamtes Erbe - das auch Geld in Millionenhöhe, Immobilien und Schmuck umfasst - nicht antreten. Eine von ihnen soll verarmt sein.
Die Rechtsauffassung der israelischen Nationalbibliothek ist, dass das Originalmanuskript von „Der Prozess“ gegen den letzten Willen von Brod verkauft wurde. Darüber hinaus gebe es in Israel ein Gesetz, wonach bedeutsame Schriftwerke nicht außer Landes gebracht werden dürfen. (dpa/kum)