(Dieser Text erschien erstmals am 28. Dezember 2006 in diesem Literatur-Magazin.)
Von Lutz Steinbrück
Schwer zu erraten, wie viele Bücher über die Beatles bereits veröffentlicht worden sind. Rainer Bratfisch, Autor eines 570-seitigen Beatles-Lexikons, sprach vor vier Jahren in einem Interview mit dem Online-Magazin www.bloom.de von einigen Tausend.
Dabei verdienten sich auch solche Autoren eine goldene Nase mit dem Ruhm der Liverpooler, die von deren Fans oder Angehörigen als unseriöse schwarze Schafe gebrandmarkt wurden. Allen voran Albert Goldman, dessen Abrechnung „The Lives of John Lennon“ als berüchtigtes Machwerk gilt: Er zeigt Lennon als hilfloses, neurotisches Drogenwrack und launisches Nervenbündel ohne eigene Identität.
Anders Klaus Vormann: Seine Erinnerungen „Warum spielst du Imagine nicht auf dem weißen Klavier, John“ wollen den Pilzköpfen nichts Böses. 2003 erstmals veröffentlicht, sind sie in diesem Jahr als preiswerte Taschenbuch-Ausgabe im Heyne Verlag erschienen.
„Jetzt kommt auch noch der Voormann“ betitelt er das erste Kapitel, weil er um die Gefahr weiß, dass da noch einer kommt, der aus dem anhaltenden Beatles-Ruhm Kapital schlagen will.
„Meine Geschichte ist ihre Geschichte“
Im Unterschied zu vielen anderen Beatles-Autoren war er allerdings über weite Strecken ihrer Karriere live dabei, nachdem er sie 1960 bei ihren Live-Gigs auf St. Pauli kennen gelernt hatte. Ihm ist zu glauben, wenn er schreibt: „Meine Geschichte ist ihre Geschichte, denn ohne die Begegnung damals im Hamburger Rotlichtmilieu, meine Arbeit mit ihnen und vor allen Dingen ohne die Freundschaft zu den einzelnen Mitgliedern der Beatles wäre mein Leben ganz anders verlaufen.“
Er erlebte, wovon im Jahre 1964 Millionen Teenager träumten: Er wohnte mit George und Ringo zusammen in der Green Street. Später arbeitete er im „Swinging London“ als Grafiker und Musiker. Freundschaft und Musik gingen Hand in Hand: Als Bassist stieg er nach seinem Engagement bei Manfred Mann als Gründungsmitglied bei John Lennons „Plastic Ono Band“ ein und war auch 1971 bei George Harrisons „Concert for Bangladesh“ dabei.
Schon im Prolog wird klar, wie stolz Klaus Voormann auf die weltberühmten Freunde ist. Und wer will ihm das verdenken? Der Prolog ist eine Lobhudelei, die aber im besten Sinne von Herzen kommt: „Wenn ich Ringo sehe, dann möchte ich ihn am liebsten gleich fest an mich drücken“, schreibt er. An Paul mag er dessen Lausbubencharme und sein jungenhaftes Charisma. Und gewidmet hat er das Buch dem Beatle, mit dem er am besten befreundet war und bei dem er einige Jahre wohnte: George Harrison (1943-2001).
Mittendrin statt nur dabei
Dieses Buch ist nicht nur für Beatles-Fans weit mehr als eine Aneinanderreihung von Anekdoten. Es gibt private Einblicke, die in keiner Weise anbiedernd wirken, weil Klaus Voormann erlebte Situationen glaubhaft schildert und die freundschaftlichen Bande eben einfach da waren. Eine Art von Freundschaft, der auch jahrelang fehlender Kontakt keinen Abbruch tut, wie er am Beispiel von George Harrison erzählt, der sich 1991 nach Jahren der Abstinenz bei den Voormanns in Holzkirchen meldet und mit Klaus’ Frau Christine telefoniert: „Kann ick bitta de Klaus spreckn?“ „Klaus ist nicht da, ungefähr in einer Stunde kommt er zurück. Kann ich ihm etwas ausrichten?“ „Ja, sag de Georg ruft nok mal an.“ „Weiß er denn, welcher Georg sie sind?“ „Ja, ja ... ik bin de Georg Harrison. He can call me back.“ Bei anderer Gelegenheit habe sich Harrison als „Admiral von Hohensteen“ oder „Mister van Schneider, ah ... Georg Schneiderrr“ auf dem Anrufbeantworter verewigt.
Die Beatles selbst haben dazu beigetragen, dass das Buch veröffentlicht wurde: Harrison hat Voormann dazu angeregt, das Buch zu schreiben, während Paul McCartney sich mit Zeichnungen darin verewigt hat. Klaus Voormann ist weit davon entfernt, die Hamburger Zeiten zu verklären, berichtet von der harten Lebenssituation, die die Beatles als Rock’n’Roll-Coverband durchliefen, bevor sie den Ruhm für ihre eigenen Songs ernten durften.
Nachzulesen sind Fußnoten des Pop aus der Sicht eines Wegbegleiters. Die Reflexion über die Beatles als gesellschaftliches Phänomen überlässt Klaus Voormann anderen. Und wem Formulierungen wie „der gute alte George (...) Frauen liebte er immer schon“ trivial erscheinen, und es an solchen Stellen kräftig menschelt, dem sei gesagt: Im Falle dieses Buches ist das weder anbiedernd noch trivial. Es ist einfach nur ehrlich.
„Brave Mädchen werden zu Hyänen“
Ebenso lesenswert ist der opulente Band „Internationale Pilzvergiftung“ des Journalisten Bernd Matheja. Er berichtet natürlich aus einer ganz anderen Warte, denn er hat sich der Rezeption der Beatles in der westdeutschen Presse zwischen 1963 und 1967 angenommen. Zahlreiche Zeitungsausschnitte sind hier im Original nachzulesen. Die Kritik an dem Massenphänomen mutet aus heutiger Sicht über weite Strecken absurd an: „Sie singen nicht – sie schreien, heulen, schluchzen, krähen im schrillsten Falsett oder brüllen wie ein freistehender Linksaußen auf dem Fußballfeld“, schreibt Franzjosef Darius am 15. Februar 1964 in der Bremerhavener „Nordsee-Zeitung“.
Auch das „Hamburger Abendblatt“ is „not amused“ über die Brise frischer Beats, die da von der Insel herüberweht: „Sie singen zu drei Gitarren und einem Satz von Trommeln, die elektronisch derart verstärkt worden sind, daß man entweder stocktaub, uralt, völlig verwittert oder tot sein müßte, wenn man sie nicht hören könnte.“ Das klingt ganz schön frustriert. Immerhin seien die vier Liverpooler jung, hübsch und nett anzuschauen. Ob solcher Töne möchte man spontan wissen, ob die Damen und Herren Kritiker noch das Vergnügen hatte, eine Dekade später den ersten Punkbands zu lauschen oder bereits das Glück hatten, stocktaub, uralt oder von derlei Plagen aus biologischen Gründen erlöst worden zu sein.
Mode, die den Busen reduziert
Auch die Schlagzeilen machen Spaß: „Brave Mädchen werden zu Hyänen“ fand der „Kölner Stadtanzeiger“ 1963 heraus, während die „Mendener Zeitung“ im gleichen Jahr eine „Käferplage“ sichtete. Richtig kontrovers wurde auch die Haartracht diskutiert, womit wir beim Titel des Bandes sind: Ein gewisser Karl Breuer fragt 1965 in der „Funk Uhr“, ob der Beatlekopf ein Ausdruck der Persönlichkeit darstelle. Breuer schwadroniert über die Tanzschule als Begegnungsstätte der Geschlechter, als soziale Instanz zur Ausformung der Persönlichkeit. Pilzkopf-Frisuren stehen dem nach Ansicht von Karl Breuer entgegen, den die optische Annäherung der Geschlechter zunehmend verwirrt: „ (...) unglücklicherweise bestimmte die Mode, daß der Busen immer weiter abnahm, je üppiger die Haarpracht der Männer sich vermehrte. Jetzt haben wir’s. Vorne und hinten nichts und auf dem Kopf alles!“
Dass es sich um jenen Karl Breuer handelt, der 1934 Tango-Weltmeister wurde und später in der Bundesrepublik über 20 Tanzschulen eröffnete, ist nicht auszuschließen.
Bernd Mathejas nahezu unkommentierte Textsammlung ist nicht nur ein Lesevergnügen, sondern auch ein Spiegel damals etablierter Vorstellungen von Ästhetik und Moral. Der berühmte Muff der Nachkriegszeit wird in vielen Texten in seiner ganzen schnöden Ignoranz lebendig und steht im Widerspruch zu dem Enthusiasmus, den die Liverpooler auf den Fotos ausstrahlen und der Begeisterung, die sie unter Deutschlands Teens und Twens entfachen. In deren offiziellem Sprachrohr, der „Bravo“, kommen die Beatles auch selbst zu Wort. Und eigentlich war es den meisten Jugendlichen auch egal, was die allwissenden Journalisten von ihren Idolen hielten. Zum Glück.
Literaturangaben:
MATHEJA, BERND: „Internationale Pilzvergiftung“. Die Beatles im Spiegel der deutschen Presse 1963-1967. Bear Family Records, Hambergen 2003. 344 S., 35 €.
VOORMANN, KLAUS: „Warum spielst du Imagine nicht auf dem weißen Klavier, John“. Erinnerungen an die Beatles und viele andere Freunde. Wilhelm Heyne Verlag, München 2006. 327 S., 14 €.
Leseprobe:
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