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Jacques Chirac packt aus

Der ehemalige französische Präsident hat seine Memoiren vorgelegt

© Die Berliner Literaturkritik, 17.11.09

Von Ulrike Koltermann

Mit einem Goethe-Zitat beginnt der langjährige französische Präsident Jacques Chirac seine Memoiren: „Jeder Schritt ein Ziel“ heißt der nun veröffentlichte erste Band seiner Autobiografie. Sie erzählt von seiner wilden Jugend und seinen Anfängen als Politiker, der nach zwei gescheiterten Kandidaturen 1995 zum Präsidenten gewählt wird. Seine Frau Bernadette meint, es sei ein klosterähnlicher Aufenthalt in Japan gewesen, der ihn für den Sieg vorbereitet habe. „In mir mischen sich unaussprechliche Gefühle, die eines Mannes, der glücklich ist, sein Ziel erreicht zu haben, der sich aber zugleich bewusst wird, dass er die Hoffnung eines ganzen Volkes auf sich vereint“, schreibt er über den Wahlsieg.

Bis dahin war es ein langer Weg. Natürlich hätte alles ganz anders kommen können. Immerhin hatte er als Jugendlicher begonnen, Sanskrit zu lernen und wollte vom Katholizismus zum Hinduismus konvertieren. Dann fuhr er drei Monate zur See, verlor seine Unschuld in einem algerischen Bordell und wollte Kapitän der Handelsmarine werden. Doch als das Schiff wieder in Frankreich eintraf, wartete sein Vater am Kai und brachte ihn nach Paris, wo er die Elite-Verwaltungshochschule ENA besuchen sollte. Zuvor leistete er noch seinen Militärdienst in Algerien ab, wo der Krieg um die Unabhängigkeit tobte. Kurzfristig erwog er eine Karriere in der Armee, aber dann wurde es doch die Politik.

Chirac ist ein Machtmensch, das wird nicht zuletzt aus seinem schwierigen Verhältnis zum damaligen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing deutlich, mit dem er in seinen Memoiren gründlich abrechnet. „Auf seiner Werteskala stand er allein ganz oben, dann kam lange nichts, und ich war irgendwo ganz unten“, schreibt er über seinen Rivalen, während dessen Amtszeit er selbst Premierminister war. Giscard habe die „Hochnäsigkeit eines Monarchen“.

Über die Korruptionsaffäre aus seiner Zeit als Bürgermeister von Paris, wegen der Chirac sich demnächst vor Gericht verantworten muss, verliert er in seinem Buch kein Wort. Aber er macht deutlich, dass er dieses Amt vor allem genutzt hat, um seine Präsidentschaftskandidatur vorzubereiten. Es habe ihm ermöglicht, „persönliche Beziehungen zu bedeutenden Staatsmännern zu knüpfen“, erklärt er.

Seine erste Kandidatur 1981 bedeutet nicht nur ein persönliches Scheitern, sondern auch eine Niederlage der Konservativen zugunsten des Sozialisten François Mitterrand. Die Rechte war zersplittert, seit Chirac sich mit seiner RPR-Partei von Giscard losgesagt hatte. Mitterrand, unter dem Chirac ebenfalls Premierminister war, kommt in dessen Memoiren erstaunlich gut weg. Man habe sich trotz politischer Auseinandersetzungen immer „höflich und respektvoll“ behandelt. „Wir haben dieselben Werte, wir kommen beide aus der Provinz und hängen an bäuerlichen Traditionen“, schreibt Chirac über ihn.

Über sein Privatleben verrät Chirac nicht viel - aber doch genug, um zu verstehen, was ihm auf der Seele brennt. Laurence, seine älteste Tochter, die als Jugendliche magersüchtig wird, sich später aus dem vierten Stock ihrer Pariser Wohnung stürzt und seitdem behindert ist. „War ich nicht genug für sie da? Hat sie darunter gelitten, ohne dass ich es bemerkt hätte?“ - es sind ungewöhnlich persönliche, zweifelnde Worte des Politikers, der schon früh den Ruf eines „Bulldozers“ hatte. Sein Schuldgefühl bewog ihn dazu, seine andere Tochter Claude zu einer seiner engsten Beraterinnen zu machen.

Was Chirac wirklich über Sarkozy denkt - dazu dürfte im zweiten Band mehr stehen. Aus den ersten Jahren ihrer Bekanntschaft nur so viel: „Er hatte damals schon diesen Willen, sich unentbehrlich zu machen und immer dabei zu sein, war hibbelig, übereifrig und begierig, zu handeln.“

Literaturangabe:

CHIRAC, JACQUES: Chaque pas doit être un but. Mémoires. NiL éditions, Paris 2009. 499 S., 21 €.

Weblink:

NiL éditions

 


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