Von Axel Bussmer
Zwiespältig, sehr zwiespältig ist Gerard Donovans Roman „Winter in Maine“. Für den Guardian war es 2008 das „Buch des Jahres“. Es steht auf der von Krimikritikern monatlich erstellten Dezember-Bestenliste.
Die knapp 200-seitige Geschichte beginnt auch vielversprechend mit einem Mord. Jäger haben im winterlichen Maine den Pitbullterrier Hobbes des zurückgezogen lebenden 51-jährigen Julius Winsome erschossen. Winsome ist schockiert über die Grausamkeit. Denn Hobbes schleppte sich noch über einen halben Kilometer zu seinem Herrn. Beim Tierarzt erfährt Winsome, dass Hobbes aus nächster Nähe angeschossen wurde. Er hängt in der Stadt ein Plakat auf, in dem er nach Zeugen sucht. Ein Witzbold schreibt „Was soll's ein Hund weniger. Reg dich ab!!!“ drauf.
Ungefähr in diesem Moment tickt Winsome aus. Denn als nächstes holt er das Lee-Enfield-Gewehr seines Großvaters und macht sich auf die Jagd nach dem Mörder seines Hundes. Bereits auf Seite 39 schießt er auf einen Jäger und fragt diesen, bevor er stirbt, ob er Hobbes erschossen habe. Dieser verneint. Winsome macht sich auf die Suche nach seinem nächsten Opfer und „Winter in Maine“ wird zu einer länglichen Mischung aus sinnloser Rachegeschichte und der Studie eines Wahnsinns.
Denn zwischen seinen verschiedenen, letztendlich wahllosen Morden erinnert Winsome sich an seine große Liebe Claire, die ihn für den Dorfsheriff verlassen hat und er steigert sich innerhalb weniger Tage zunehmend in ein paranoides Wahngebilde. Er glaubt, dass jemand Hobbes erschossen hat, um ihn zu verletzten. Er glaubt, dass Claires plötzliches Auftauchen bei ihm vor einigen Jahren und ihr ebenso plötzliches Verschwinden nur der erste Teil eines lange geplanten Komplottes gegen ihn waren. Der bislang letzte Teil war der Mord an Hobbes.
Donovan erzählt diese Geschichte in kurzen Kapiteln und wenigen, aber klaren Worten, die einen durchaus die Kälte des winterlichen Maine und die Einsamkeit von Julius Winsome spüren lassen.
Aber spätestens nachdem Winsome den ersten Jäger erschossen hat, tritt die Geschichte auf der Stelle. Denn die Frage, wie er auf den Verlust seines Hundes reagiert, ist beantwortet. Nämlich indem er zu einem wahllos Jäger erschießenden Verrückten wird. Dabei ist es letztendlich egal, wie viele Unschuldige er auf den restlichen fast 170 Seiten aus dem Hinterhalt mit sehr präzisen Schüssen erschießt. Wir erfahren über ihn nichts wesentlich Neues mehr.
Daher ist „Winter in Maine“ nur die verquere Studie eines Verrückten, bei dem die Distanz zum Ich-Erzähler mit zunehmender Seitenzahl zunimmt. Denn eigentlich hat Julius Winsome nur auf irgendein Ereignis gewartet, um auszuticken.
Literaturangabe:
DONOVAN, GERARD: Winter in Maine. Übersetzt aus dem Englischen von Thomas Gunkel. Luchterhand Verlag, München 2009. 208 S., 17,95 €.
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