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Jeder sollte versuchen, ein Künstler zu sein

Wer sich gegen Beuys’ berühmtes Diktum wendet, verpasst etwas im Leben

© Die Berliner Literaturkritik, 25.12.09

Von Frederike Frei

Joseph Beuys mahnte, jeder sei ein Künstler. Und ich ärgere mich, wenn gediegene Bürger das weit von sich weisen: „Ich bin ja kein Künstler!“ Betonung auf dem ü, als hieße es Kühnstler. Sie tun so, als handele es sich da um eine Gattung Sondermensch, mit der man nichts zu tun habe oder haben will oder muss.

Wieso sind sie keine? Könnten doch ruhig mal welche sein im Moment. Wenigstens losmalen oder -schreiben oder -musizieren, ohne sich zu zieren. Dann reden sie schon mal nicht mehr so geschwollen daher. Dann spüren sie die Grenze genauer und beschweigen sie vielleicht einfach.

Wenn sie eine herrlich bunt bewachsene Talsenke sehen in der Gegend, die sie bezaubert, dann können sie sich doch gefälligst hinsetzen und mit Wasserfarben und Becherchen versuchen, sie aufs Papier zu werfen. Und nicht so tun, als ginge dieser kleine Kelch an ihnen vorüber. In der Schule haben sie ja auch gerne losgelegt, solange es wem gefiel.

Oder sie versuchen, mit ihrem Kuli Wörter zu finden, die vielleicht erst einmal weit vorbeizielen an der Senke, sie aber immer genauer erfassen und zu treffen versuchen. Diese einmalige Talsenke werden sie jedenfalls nicht so leicht aus den Augen verlieren.

Im Übrigen gelten Kriterien der Kunst für jeden, aber hallo. Denn die Kunst ist weniger ein Job als eine Art Auftrag, den sowieso jeder hat. Wie er lautet? Er besteht darin, sich restlos auszudrücken, Innen und Außen zur Deckung zu bringen, Traditionen zu achten, den Punkt zu suchen, wo man einzig sei, gleichzeitig für den Augenblick und die Ewigkeit zu leben, die Formen ernst zu nehmen, die Fassungen nicht zu verlieren. Kunst kann von Glück sagen. Meine Rede. 

Frederike Frei ist Autorin und Literaturveranstalterin. Sie lebt in Potsdam. (www.frederikefrei.de)


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