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J.M. Coetzee wird 70

Der südafrikanische Literaturnobelpreisträger Coetzee feiert seinen 70. Geburtstag

© Die Berliner Literaturkritik, 08.02.10

Von Laszlo Trankovits


KAPSTADT (BLK) - Für Deutschlands neuen Starautor Daniel Kehlmann ist er „größte lebende Schriftsteller englischer Sprache“, der „vielleicht bedeutendste experimentelle Romancier unserer Tage“. Südafrikas Literaturnobelpreisträger J.M. Coetzee, der heute 70 Jahre alt wird, ist allerdings kein Autor, der sich öffentlich feiern lässt. Er scheut seit Jahrzehnten Öffentlichkeit und Interviews, schafft es aber bis heute, mit eigenwillig-düsterer Weltsicht und kühnen literarischen Experimenten zu beeindrucken, zu verwirren, auch zu provozieren.

Pünktlich zum 70. Geburtstag erscheint in Deutschland sein dritter autobiografisch geprägter Roman, wobei Coetzee im „Sommer des Lebens“ nach seinem fiktiven Tod die Jahre 1971 bis 1977 in Kapstadt aus der Sicht eines gleichfalls erfundenen Biografen schildert. Der Literat sieht sich selbst kaum anders als viele andere Protagonisten seiner Werke: gebrochen, schwächlich, ratlos, versagend. Coetzee wird oft mit Kafka verglichen, auch der Südafrikaner arbeitet sich immer wieder an den Thema Macht, Leid, Schuld und Schicksal ab.

Der Schriftsteller aus Afrika macht es seinen Lesern nicht immer leicht: Mal zwingen literarische Experimente zur verwirrenden Lektüre paralleler Erzählweisen, mal werden einfache Erklärmuster bewusst ausgeschlossen, vieles bleibt schwer nachvollziehbar, verschiedene Perspektiven werden eröffnet. Der Schriftsteller sei „vor allem an Situationen interessiert, wo die Unterscheidung von richtig und falsch sich als unbrauchbar erweist“, hatte das Nobel-Komitee 2003 formuliert. Coetzee stelle „in zahlreichen Verkleidungen die überrumpelnde Teilhabe des Außenseitertums dar“.

Coetzee hat sich mit seiner von tiefer Skepsis, ja zuweilen fast Verachtung geprägten Sicht der Welt, seinen gesellschaftskritischen Essays und Romanen Ruhm erschrieben, in seiner Heimat aber manche Feinde gemacht. Südafrika hat er 2002 verlassen, lebt nun im australischen Adelaide. Auch über den Grund seiner Emigration gibt es nur Mutmaßungen. Aber in seinen Romanen, die in Südafrika spielen, ist wenig Optimismus zu spüren, auch das Ende der Apartheid mündete nach Coetzees Geschmack nicht in eine wirkliche humane, gerechte und versöhnte Gesellschaft. Seine Gewaltfantasien haben oft unverkennbar die bittere Geschichte Südafrikas zum Hintergrund.

Sein literarischer Durchbruch gelang Coetzee international mit dem Roman „Schande“, in dem es um einen südafrikanischen Literaturprofessor und seine Tochter, die vergewaltigt wurde, geht. Im Zentrum steht aber das von der rassistischen Apartheid zerrissene Südafrika, die Schuldgefühle und Ängste der Weißen, die Bitterkeit und die Vergeltungssehnsüchte der Schwarzen. „Schande“ wurde wie andere seiner Romane auch inzwischen verfilmt. Coetzee sammeltereihenweise renommierte Literaturpreise ein - zu deren Verleihung er meist nicht erschien.

Zunächst hatte der 1940 als Sohn eines Anwaltes und einer Lehrerin geborene Coetzee in seiner Geburtsstadt Kapstadt Englisch und Mathematik studiert, zeitweise auch als Programmierer gearbeitet. Nach seiner Promotion über den irischen Schriftsteller Samuel Beckett lehrte er dann an den Universitäten Kapstadt, Harvard (Boston) und Johns Hopkins (Baltimore). Studenten berichteten, dass Coetzee in seinen Seminaren keineswegs der eigenbrödlerische und scheue Schriftsteller sei, als der er oft beschrieben wird. Das er aber durchaus etwas rätselhaft bleiben möchte, ist schon auf jedem Buchdeckel ablesbar. Dort steht auf seinen Wunsch nur „J.M. Coetzee“. Seine Vornamen sollen John und Maxwell (eventuell auch Michael) heißen, gesichert aber ist es nicht - und selbst erklärt hat er seinen Unwillen, seinen ganzen Namen zu nennen, auch nie.


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