Von Elisabeth Werthern
„Nichts“, so sagte Bestsellerautor John Griesemer einmal, „ist so einfach oder heiter, wie es auf den ersten Blick scheint. Das Leben ist kompliziert. Auch lustig manchmal, aber meistens doch kompliziert.“ Dieser dunkle Grundton zieht sich durch alle Bücher des Amerikaners. Doch auch wenn sein aktueller Roman „Herzschlag“ ebenfalls von Schicksalsschlägen und Niederlagen handelt, erwächst aus ihnen am Ende etwas Neues.
Noah Pingree, ein bekannter Theaterschauspieler, erleidet just einen Schlaganfall, als Flugzeuge in die Twin Towers von New York rasen. Als er Tage später halb gelähmt erwacht, steht die Welt Kopf. „Ich habe etwas überlebt“, stellt er nach dem Erwachen doppeldeutig fest. „Das finde ich großartig. Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, doch ich erschaudere vor Glück.“
Also hinaus geschleudert aus dem Kreislauf des bisherigen Lebens und gelandet in „Schlaganfallistan“, beginnt sich Noah zu erinnern: An die Mutter vor allem, die ihn nach dem Tod des Vaters und Bruders nicht mehr aus ihrer Nähe lässt. An Dorthea, die bekannte Leiterin einer New Yorker Schauspielschule, die den beiden Arbeit, Unterkunft, Unterstützung und Liebe gegeben hat. An Tante Stephanie, eine begnadete Actrice, die früh ihrem Hang zur Selbstzerstörung zum Opfer fallen sollte. Und an deren Geliebten, den Schauspieler Ike, der Stephanie und das gemeinsame Kind sitzen ließ, um in Hollywood Karriere zu machen.
Parallel ist von der mühsamen Rückkehr des Protagonisten in die Welt der Gesunden zu lesen, die freilich nicht ganz gelingt. Noah bleibt gehbehindert und kann sich nur mühsam artikulieren. Dennoch lernt er zu erkennen, wie sich aus dem Unglück Kraft schöpfen lässt: Er steht am Ende wieder auf der Bühne – mit einem völlig unkonventionellen Stück und neuem Lebensmut.
So wie auf den Brettern, die die Welt bedeuten, agiert das Romanpersonal, assistiert von einigen Nebenfiguren, in der wohl hier und da autobiografisch gefärbten Geschichte, die sich im Wesentlichen liest wie eine Liebeserklärung an das Theater. Mal witzig, mal melancholisch berichtet der seit seinem Debüt „Rausch“ international bekannte Autor von sympathischen Verlierern, unkonventionellen Menschen und davon, wie schnell das Leben sich verändern, wie abrupt „das Rad des Schicksals“ in die Tiefe sausen kann.
Auch wenn er die Beziehungsfäden zwischen den einzelnen Protagonisten sehr spannend zu knüpfen weiß, elegant schreibt und in den Passagen über die Vergangenheit die Perspektive des kindlichen Ich-Erzählers konsequent einhält – die eigentliche Stärke des Buches liegt in den atmosphärischen Schilderungen des Künstlerlebens im New York der 1970er Jahre. Dass die Leser die Bühnenluft förmlich schnuppern können, gelingt nur einem, der dies alles intensiv erlebt hat. Schließlich begann Griesemer seine Karriere als Schauspieler, den er selbst heute noch manchmal gibt.
Literaturangaben:
GRIESEMER, JOHN: Herzschlag. Arche Verlag, Zürich/Hamburg 2009. 427 S., 25 €.
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