Von Martin Spieß
Im ersten Moment denkt man an den gleichnamigen, ziemlich bemühten Western mit Sharon Stone und Russell Crowe. Aber Josh Bazells Debütroman „Schneller als der Tod“ ist weit davon entfernt, bemüht zu sein. Ganz im Gegenteil. Bazell hat mit seinem Debüt ein grandioses Stück Literatur über Mafia und Medizin vorgelegt.
Pietro Brwna (gesprochen „Brauna“), ehemaliger Mafiakiller im Zeugenschutzprogramm, arbeitet als Arzt in einer New Yorker Klinik. Den Job macht er sozusagen als Wiedergutmachung für seine frühere, wenn man so will, Arbeit. Und wie das immer so ist mit dem Zeugenschutzprogramm – oder wie Hollywood uns glauben macht, dass es so ist – fliegt die Tarnung des zu Schützenden auf. Dr. Brown, wie Pietro sich jetzt nennt, spaziert einfach in ein Patientenzimmer und läuft einem aus der Familie, für die er vor Jahren die Drecksarbeit erledigt hat, direkt in die Arme. Der ist sterbenskrank, und verlangt für sein Schweigen, dass Brown ihm das Leben rettet. Und obwohl er kein Chirurg ist, nimmt er an der OP teil, um sicher zu gehen, dass der Mafiosi nicht den Löffel abgibt.
Bazell lässt seinen Protagonisten – ausgelöst durch den Besuch aus der Vergangenheit – über eben diese Vergangenheit erzählen. Wie er bei seinen Großeltern aufwuchs, wie diese ermordet wurden, wie er sich an den Mördern rächt und dadurch selbst zum Killer für die Mafia wird. Pietro zweifelt solange nicht an seinem Tun, wie er davon überzeugt ist, es bei seinen Zielen mit üblen Schweinen zu tun zu haben.
Als er auf der Hochzeit der Cousine seines besten Freundes Skinflick – dessen Vater Pietros Auftraggeber ist – Magdalena kennen lernt, beginnt er ernsthaft zu überlegen, seine Arbeit an den Nagel zu hängen. Und wie das immer so ist, wenn jemand aus so einem Tagwerk aussteigen will – es ist genau noch ein Job zu machen. Üble Mistkerle, heißt es. Natürlich geht alles gehörig schief und Pietro landet schließlich im Knast und von dort im Zeugenschutzprogramm. Und Pietro muss des Auftauchens der Familie wegen um seine Sicherheit bangen. Wie, fragt er sich, soll er sich entscheiden, wenn ihm der Mafiosi auf dem OP-Tisch wegstirbt? Abhauen und untertauchen? Oder bleiben und kämpfen?
So klischeehaft die Geschichte mit Zeugenschutz, Killervergangenheit und „noch ein Job, dann bist du draußen“ anmutet, sie ist es nicht. Das liegt vor allem an Bazells unterhaltsamem Stil: Medizinische Fachbegriffe oder Mafiageschichtliches lässt er seinen Protagonisten in nicht selten ironischen Fußnoten erklären, unter denen sich auch solche finden wie die folgende: „Das wollen Sie nicht wirklich wissen, oder?“ Auch wenn „Schneller als der Tod“ keine gute Übersetzung für „Beat the Reaper“ ist – was dieses Buch über das Klischee erhebt, ist der Umstand, dass Bazell seinen Protagonisten zum Arzt macht. Pietro bricht einem Angreifer nicht einfach den Arm, er beschreibt mit medizinischer Fachterminologie, warum es sinnvoll ist, genau an diesen Punkt zu schlagen, treten oder auszukugeln. Es kommt einem vor, als würde Dr. House seinen Stock gegen eine Nahkampfausbildung und eine schallgedämpfte Handfeuerwaffe getauscht haben.
Kurz: Cosa Nostra, Kampfsport und Krankenzimmer in einem machen „Schneller als der Tod“ zu einer genial geschriebenen, makellosen Melange aus „Der Pate“, „Ghost Dog“ und „Dr. House“.
Literaturangabe:
BAZELL, JOSH: Schneller als der Tod. Aus dem Amerikanischen von Malte Krutzsch. S.Fischer Verlag, 2. Aufl. Frankfurt 2010. 300 S., 18,95 €.
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