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Joshua Sobol wird 70 Jahre

Provokant und kein bisschen leise

© Die Berliner Literaturkritik, 21.08.09

Von Hans Dahne

TEL AVIV (BLK) - „Es ist nicht schwierig, sich in Israel Feinde zu machen“, sagt der israelische Dramatiker und Regisseur Joshua Sobol. Vor 20 Jahren hatte ihm eine Abgeordnete nach der Aufführung des Theaterstücks „Das Jerusalem Syndrom“ nahe gelegt, „zum Nutzen aller Selbstmord zu begehen“. Angesichts der Anfeindungen siedelte Sobol damals zwar für vier Jahre nach London über, aber den Mund ließ er sich nicht verbieten. Der bekennende „atheistische Jude“ und „Linke mit eigener Meinung“ eckt mit seinem „Theater der Provokation“ immer wieder an. Sobol hält der Gesellschaft den Spiegel vor und provoziert die Auseinandersetzung mit Tabu-Themen. Und genau so will Sobol nach seinem 70. Geburtstag (24. August) auch weitermachen.

Für das Publikum in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist Sobol der wohl bedeutendste israelische Bühnenautor. Bekanntgeworden ist er nicht nur mit dem Film „Ghetto“ (2006), sondern vor allem durch Peter Zadeks gleichnamige Inszenierung auf der Freien Volksbühne in Berlin (1984). Das Stück über die schmerzhafte Kooperation der jüdischen Polizei mit Nazioffizieren im ehemaligen Ghetto von Vilnius, der heutigen Hauptstadt Litauens, ist weltweit in mehr als 100 verschiedenen Inszenierungen auf die Bühne gekommen. Der Tod des Ende Juli gestorbenen Zadeks hat Sobol mitgenommen. „Ich verdanke Peter Zadek meinen Durchbruch nicht nur in Europa, sondern in der internationalen Szene. Und ich glaube bis zum heutigen Tag, dass seine Inszenierung von ‚Ghetto’ die gewagteste und in vielerlei Hinsicht auch die beste war“, sagt Sobol.

Für das Gespräch hat sich der Dramatiker das In-Restaurant „Esszimmer“ ausgesucht. Der Name, aber auch die langen Holzbänke und das Aluminiumbesteck versprühen den Charme der für israelische Kibbuze typischen Speisesäle. Sobol, der am 24. August 1939 als Sohn zionistischer Einwanderer aus Osteuropa im Dorf Tel Mond geboren wurde, hat viel Zeit in Kibbuzen verbracht. Er hat Literatur und Geschichte in Tel Aviv studiert und später Philosophie an der Pariser Sorbonne.

Zeit seines Lebens ist Sobol bekennender Linker, der laut seine eigene Meinung sagt. Andere Linke in Israel stören sich oft an dem unbequemen Zeitgeist. Es hagelte Kritik, als er den Krieg im Libanon vom Sommer 2006 unterstützte. „Es ist schon etwas komisch, aber ich schreibe auch eine wöchentliche Kolumne in der Tageszeitung ‚Israel HaYom’“, sagt Sobol. Komisch, weil das Blatt zum rechten Spektrum gehört. Auch wenn es um die Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes geht, löckt Sobol wider den Stachel. „Vor 15 Jahren habe ich eine Zwei-Staaten-Lösung unterstützt“, sagt er. Heute sei er Verfechter eines Einheitsstaates mit kantonalem System, in dem säkulare und orthodoxe Juden, israelische Araber sowie die Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen als gleichberechtigte Bürger zusammenleben.

Sobol räumt freimütig ein, dass er in Europa beliebter und bekannter sei als im eigenen Land. „Ich habe nie zu einer Gruppe oder Gang gehört. Alles, was ich geschrieben habe, war kontrovers. Mein Theater ist sehr fordernd und nicht einfach zu inszenieren. Viele meiner Stücke sind hier nicht bekannt. Manchmal fühle ich mich als Fremder im eigenen Land“, sagt er. An Auswandern denke er aber nicht. Er liebe Tel Aviv, wo er in der Nähe des Rabin-Platzes mitten im Zentrum wohnt und arbeitet.

Sobol lächelt schelmisch, wenn er über seine „Provokationen“ spricht. Im Herbst soll im Tel Aviver Universitätstheater ein Stück über das Verhältnis der Israelis zu den Flüchtlingen aus der sudanesischen Bürgerkriegsprovinz Darfur aufgeführt werden. „Die Art und Weise, wie wir mit den Flüchtlingen umgehen, ist sehr problematisch. Wir sollten sie mit offenen Armen empfangen, wie es unsere Pflicht und Verpflichtung aus dem Holocaust ist“, sagt er. „Das Stück ist ziemlich provokativ. Mal sehen, was passiert.“

In Deutschland will Sobol nach eigenen Worten wieder 2011 in Worms Premiere feiern. Regisseur Dieter Wedel will den „Jud Süß“-Stoff nach dem Roman von Lion Feuchtwanger gemeinsam mit ihm inszenieren. Sobol schwebt eine Trilogie vor. Den ersten Teil hat er noch vor seinem runden Geburtstag beendet.


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