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Junge Debütanten mit Vorliebe für Außenseiter

Frischer Lesestoff von Zora del Buono, Sam Savage und Benedict Wells

© Die Berliner Literaturkritik, 22.08.08

 

Firmin hat einen einzigen Wunsch: Er möchte mit Menschen kommunizieren, mit ihnen über Literatur und das Leben diskutieren. Das Problem: Er kann nur „Auf Wiedersehen Reißverschluss“ sagen - und zwar in Gebärdensprache. Denn Firmin ist eine Ratte, die in einem Bostoner Buchladen lebt und mit Hilfe der Literatur die Welt entdeckt. Mit scharfem Blick beobachtet Firmin die Menschen rund um den Scollay Square, der seinem Untergang entgegen dämmert. Leider bringen ihm die Menschen nicht die gleiche Zuneigung entgegen. Erst ein einsamer Schriftsteller erkennt ansatzweise Firmins außergewöhnliche Fähigkeiten. Aber selbst zwischen den Gleichgesinnten entsteht kein wirkliches Miteinander. „Firmin. Ein Rattenleben“ (Original: Adventures of a Metropolitan Lowlife) von Debütautor Sam Savage schildert die Suche eines Außenseiters nach seinem Platz im Leben. Der Verweis auf zahlreiche Werke der Weltliteratur erscheint da eher wie unnötiges Beiwerk.

Der etwas andere Familienroman: de Buonos „Canitz’ Verlangen“

Canitz ist ein zwanghafter, sich selbst im Weg stehender und dabei kultivierter Germanistik-Privatdozent „mittleren Alters“. Sein Leben in einer puristisch durchgestylten Wohnung bezeichnet er selbst als „Daseinsvollzug“, den er mit Besuchen in Schwulenclubs zu beleben versucht. Nach einer solchen Nacht entdeckt Canitz in der Spree die Leiche einer jungen Frau. „Canitz’ Verlangen“ beginnt wie ein Krimi, entpuppt sich aber schnell als eine skurrile und spannende Geschichte über die Suche nach der eigenen Identität.

Denn Canitz geht die Tote nicht aus dem Kopf. Die Polizei alarmiert er nicht, dafür stöbert er in der eigenen Familiengeschichte und stößt auf viele bislang gut behütete Geheimnisse. Mit ihrem Debütroman gelingt der langjährigen stellvertretenden „mare“-Chefredakteurin Zora de Buono ein angenehm anderer Familienroman mit einem neurotischen Protagonisten, angesiedelt im mitunter befremdlichen Intellektuellen-Schwulenmilieu, in einem herrlichen lakonischen Ton.

„Becks letzter Sommer“: Unterhaltsames Debüt mit Längen

Robert Beck ist unglücklich. Einst träumte er davon, mit seiner Band berühmt zu werden, nun quält er sich durch ein ereignisarmes Leben als Musiklehrer. Doch dann kommt Rauli an die Schule, ein Junge aus Litauen mit sagenhafter musikalischer Begabung und rätselhaftem Verhalten. Es folgt ein Roadmovie, das die Protagonisten nach Istanbul und schließlich in ein gänzlich anderes Leben führt. „Becks letzter Sommer“ ist der Erstling des 23-jährigen Autors Benedict Wells. Ihm ist ein unterhaltsames, spannendes Debüt gelungen mit einigen wenigen Längen - immer dann, wenn sich das Denken der Protagonisten um Weltschmerz und den Sinn oder Unsinn des Daseins dreht - und dabei allzu bekannt wirkende Gedanken beschreibt. (dpa/dan)

Literaturangaben:
BUONO, ZORA DEL: Canitz’ Verlangen. marebuchverlag, Hamburg 2008. 157 S., 18 €.
SAVAGE, SAM: Firmin. Ein Rattenleben. Ullstein Verlag, Berlin 2008. 216 S., 16,90 €.
WELLS, BENEDICT: Becks letzter Sommer. Diogenes Verlag, Zürich 2008. 464 S., 19,90 €.

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