Von Michael Evers
HANNOVER (BLK) - Auch nach dem Rückzug von Spitzenämtern bleibt Ex-Bischöfin Margot Käßmann eine prominente Botschafterin der evangelischen Kirche. Außer von der Predigtkanzel aus erreicht sie die Menschen auch als Bestseller-Autorin. 85 Titel von und mit der beliebten Theologin als Autorin und Herausgeberin sind derzeit lieferbar. „Zu Gast in Amerika...“ ist das jüngste Werk, in dem sie tagebuchartig über ihre Auszeit in den USA nach Alkoholfahrt und Amtsverzicht berichtet.
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„Sie scheint immer genau das zu treffen, was die Leute bewegt, und das auf eine sehr zugewandte Art“, begründet die Lektorin des Buchs, Elke Rutzenhöfer, den Erfolg der Käßmann-Bücher. „Sie schreibt, wie sie spricht.“ In der Top Ten der meistverkauften religiösen Bücher 2010, die von Bibelausgaben dominiert wird, ist Käßmann mit zwei Titeln auf Rang zwei und drei vertreten. Insgesamt verbuchten religiöse Bücher im vergangenen Jahr ein kräftiges Absatzplus von 7,3%, wie das „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ am Donnerstag (3.3.) mitteilte.
Einige Tage nach ihrem Rücktritt im Februar 2010 erreicht Käßmann die Einladung zu einem Gastsemester an der theologischen Fakultät der Emory Universität in Atlanta. Als „ältere Dame“, wie Käßmann schreibt, landet sie Ende August in einem Studentenzimmer auf dem Universitätscampus. „Zu Gast in Amerika...“ ist einerseits ein Reisebericht, illustriert wie ein privates Album mit Fotos von Käßmann an unterschiedlichen Stationen. Andererseits skizziert die Ex-Bischöfin das religiöse Amerika mit all seinen Besonderheiten - ohne sich allerdings in theologischen Abhandlungen zu verlieren. Ein Teil des USA-Tagebuchs von Käßmann erschien bereits während der Reise auf einem Blog des Onlineportals „evangelisch.de“.
Käßmann schreibt, was sie erlebt, und ist dabei eine genaue Beobachterin. Sie nimmt den Leser mit zu der Behörde, wo sie eine Sozialversicherungsnummer beantragt und der Armut in den USA ins Gesicht sieht. Sie ist bei einem Fastenbrechen von Muslimen und berichtet über die Einteilung der Studenten in ethnische Gruppen, sie trifft sich zum Lunch mit Ex-Präsident Jimmy Carter, der sie um ein Tischgebet bittet. Die Todesstrafe, Schusswaffen, das Essen und das Gesundheitswesen werden thematisiert.
„Sie ist eine sehr unkomplizierte Autorin, die die Begabung hat, komplizierte Dinge mit schlichten Worten zu sagen, ohne sie zu vereinfachen“, sagt Rutzenhöfer. „Sie ist keine, die eine Schwarz-Weiß-Malerin ist, sie hat einen differenzierten Blick.“ Auch wenn Käßmann über ihre Person spreche, sei sie immer Theologin. „Sie ist eine zierliche und wortmächtige Frau mit der Begabung, die Herzen der Menschen zu öffnen.“
„Wir sind in einer gesellschaftlichen Phase, in der Menschen glaubwürdige Zeugen brauchen“, meint der Geschäftsführer des Lutherischen Verlagshauses und ehemalige Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christof Vetter. So eine moralisch integre Instanz sei Käßmann, deshalb nähmen sie die Menschen ernst. Vergleichbare Schreiber seien Anselm Grün bei den Katholiken oder Alice Schwarzer im weltlichen Bereich. „Das sind Menschen, die in der Lage sind, komplexe Sachverhalte einfach auszudrücken“, meint Vetter.
„Mir ist niemand bekannt, der Glauben und Theologie so einfach erzählen kann“, findet auch der Inhaber der Buchhandlung an der Marktkirche in Hannover, Karl Lang. Dort, neben ihrer Predigtkirche, hatte Käßmann bis zu ihrem Rücktritt zumeist alle ihre Buchtitel vorgestellt. „Sie redet nicht über die Leute hinweg, sie redet mit den Leuten.“