Sie gehören zu den Felidae und Canidae, schnurren, miauen, bellen und leben seit etwa 700.000 Jahren mit uns zusammen: Katzen und Hunde. Die felltragenden Vierbeiner, ob groß oder klein, kurz- oder langfellig, mit Schnurrhaaren oder Schlappohren, sind die besten Freunde des Menschen: Sie jagten mit ihm, bewachten Herden, Haus und Gut, fingen die Mäuse in Feld und Flur und eroberten einen Platz in seinem Herzen. Psychologen sind sich einig, Haustiere stärken die Psyche ihres Halters, sie disziplinieren, motivieren – und inspirieren ihn, soweit er sich als Sprachkünstler betätigt, zu literarischen Höchstleistungen.
Katzen und Hunde sind ideale Therapeuten, auch für Schriftsteller. Patricia Highsmith stellte fest: „Zusammen mit einer Katze ist ein Schriftsteller weniger allein, doch allein genug, um zu arbeiten.“ Martin Walser machte „augenöffnende Erfahrungen“ mit seinen Hunden und kam zu dem Schluss: „Nach einiger Erfahrung mit Hunden halte ich es für möglich, dass wir von Tieren so viel lernen können wie sie von uns.“ Milan Kundera meinte sogar: „An einem schönen Nachmittag mit einem Hund auf einem Hügel zu sitzen, bedeutet, wieder im Paradies zu sein, wo Nichtstun nicht Langeweile war, sondern Frieden.“
Der Journalist Jürgen Christen stellt nun in zwei Bänden über 100 namhafte Autoren und ihre geliebten Fellträger vor. „Musen auf vier Pfoten“ porträtiert „Katzen und ihre Schriftsteller“ und „Schriftsteller und ihre Hunde“ vor (man beachte die Reihenfolge!). Mit dabei sind Devon-Rex-Katze Sammy, die sich auf dem 23-Zoll-Tablet-Monitor von Wolfgang Hohlbein wärmt; Tigerkatze Sneaky Pie, für Rita Mae Brown unersetzliche Koautorin; und Bulldogge Bulli, das 30-Kilo-Schätzchen von Karen Duve, das ihrem Frauchen auf das Surfbrett folgt und von dem diese sagt: „Wer Bulli nicht mag, kann auch mein Freund nicht sein.“
Jürgen Christen, der zusammen mit seiner West-Highland-Hündin Bonnie in Hannover lebt, hat in den im Berliner Autorenhaus Verlag jüngst erschienenen Bänden biografische Texte, Originalbeiträge und berührende als auch überraschende Fotografien zusammengestellt: ein Bilderbuch für Literaten und Tierliebhaber. Günter Grass freut sich mit Hund Kara über den Literaturnobelpreis (1999), John Irving liebkost seinen Hund Dickens vor seinem Haus in Vermont, Ernest Hemingway sitzt mit der samtpfotigen Muse zu Tisch und sieht wohlwollend darüber hinweg, dass seine Katze Wasser aus einem Glas trinkt.
Katzen und Hunde sind treue Begleiter. „Gesicht gesträubt: die Iris weit / ein unentschlüsselbarer Blick: / auf kleinen Pfoten läuft ein Stück / von Leben mit uns durch die Zeit“, schreibt Günter Kunert in „Schlaf der Katzen“. Mit sieben Katzen ist er damals aus der DDR ausgereist, seine Musen begleiteten ihn ins Exil. Wenn Juli Zeh auf Reisen geht, sind ihre beiden Hunde Olga und Othello und Katze Tiger fast immer dabei. Auch Roald Dahls King-Charles-Spaniel-Hündin Eva und sein über alles geliebter Jack-Russell-Terrier Chopper durften den Schriftsteller fast überall begleiten – sogar zu Fernsehauftritten.
Der Dank ihrer zweibeinigen Gefährten ist den tierischen Musen sicher. Ernst Jandl verewigte seinen Mops im lautmalerischen Gedicht „otto mops“. Raymond Queneau stellt in einer Geschichte einen Hund namens Dino vor, der nicht nur scharfsinnig denken, sondern auch sprechen kann. Patricia Highsmith machte Kater Ming zur Krimifigur („Mings größte Beute“), Andrea Schacht schreibt Bücher aus der Katzenperspektive und der krallenharte Francis ist Hauptdarsteller in Akif Pirinccis berühmten Katzenkrimis. Nicht zu vergessen der mutige Italo-Kater „Nero Corleone“, einer der größten Erfolge des Vielfachtalents Elke Heidenreich.
Tiere bringen Menschen eine stumme Akzeptanz entgegen. Sie stärken Körpergefühl, Konzentrationsfähigkeit und fördern die Gesundheit ihrer Besitzer. Die Schriftstellerin Mirjam Müntefering sagt: „Meine eigenen Hunde sind für mich der ständige Kontakt zur Natur. Sie haben einen direkten Draht zu meinem Bauchgefühl und erden mich…“. Sigmund Freud und seine Chow-Chow-Hündin Jofi waren sieben Jahre unzertrennlich. Der Vater der Psychoanalyse erlaubte Jofi sogar, ihn bei den Therapiesitzungen zu begleiten. „Wen Jofi nicht mag, bei dem stimmt was nicht“, so der Arzt und Neurologe.
Wer Jürgen Christens „Musen auf vier Pfoten“ in die Hand nimmt, entdeckt Momentaufnahmen voll inniger Verbundenheit von Mensch und Tier, er erfährt jede Menge biografischer Details zu den Autoren und liest Texte, in denen tierische Helden literarisch gewürdigt werden. Beide Bände sind in Bild und Text einfühlsam und liebevoll editiert: ein Muss nicht nur für literarisch Interessierte und überzeugte Katzen- und Hundefans, sondern für alle, die mehr wissen wollen über tierische Musen mit Pfoten, mit Fell, scharfen Krallen oder feiner Spürnase.
Literaturangaben:
CHRISTEN, JÜRGEN: Musen auf vier Pfoten. Katzen und ihre Schriftsteller. Autorenhaus Verlag, Berlin 2008. 126 S., mit Schwarzweiß- und Farbfotografien, 16,80 €.
---: Musen auf vier Pfoten. Schriftsteller und ihre Hunde. Autorenhaus Verlag, Berlin 2008. 126 S., mit Schwarzweiß- und Farbfotografien, 16,80 €.
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