BERLIN (BLK) -- Christa Wolf gelang es, einen eigenen Sound zu schaffen, allerdings klang er in beinahe jedem ihrer Bücher, angefangen von "Der geteilte Himmel", "Nachdenken über Christa T.", "Kindheitsmuster", "Kein Ort. Nirgends", "Kassandra", "Störfall" und "Was bleibt" bis zu "Medea" und "Leibhaftig" anders und dem Stoff entsprechend. Mit ihren Büchern traf sie gesellschaftliche Problemlagen und löste Debatten und Streit aus.
Dass sich an der im heutigen polnischen Landsberg an der Warthe geborenen Schriftstellerin, die über Jahre hinweg im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand, die Geister scheiden, kann als normal betrachtet werden. Manche halten sie für die bedeutendste Schriftstellerin der deutschen Gegenwart, der "Literaturpapst" Marcel Reich-Ranicki hingegen findet, dass sie eine "weit überbewertete Autorin" sei.
Die DDR und Christa Wolf
"Ich habe dieses Land geliebt", schrieb Christa Wolf einmal an Günter Grass nach dem Untergang der DDR. An diesem Land und an ihrem Verhältnis zu ihm hat sie sich immer wieder "abgearbeitet". Christa Wolf sah keine Alternative zur DDR und wurde doch immer heimatloser. Also schrieb die Schriftstellerin die Erzählung "Kassandra", die eine Botschaft enthielt, speziell für die Zensur in der DDR. "Ich wartete gespannt, ob sie es wagen würden, die Botschaft der Erzählung zu verstehen, nämlich, dass Troja untergehen muss. Sie haben es nicht gewagt und die Erzählung ungekürzt gedruckt. Die Leser in der DDR verstanden sie." So kam es gar dazu, dass für einen kurzen Augenblick der Geschichte in der turbulenten Wendezeit 1989/90 ihr Name für das Amt eines DDR-Staatsoberhauptes im Gespräch war, als die Intellektuellen nach dem Vorbild der politischen Karriere des tschechischen Schriftstellers Vaclav Havel von einer Verbindung von Geist und Macht träumten.
Eigene Stasi-Tätigkeit
Ein Schatten fiel auf die Person Christa Wolf, als die Stasi-Akten sie als "Gesellschaftliche Mitarbeiterin" und kurze Zeit auch als IM "Margarethe" in frühen Jahren (1959-1962) enttarnten, die sie dann aber sofort selbst in einem Dokumentationsband "Akteneinsicht Christa Wolf" offen legte, der auch ihre eigene Bespitzelung durch die Stasi offenbarte. Es bleibe aber "ein wunder, ein dunkler Punkt" in ihrem Leben, wie sie später bekannte.
Nobelpreiskandidatin?
Ihr wichtigstes Buch, "Nachdenken über Christa T." (1968), habe sich schon überlebt, meint Marcel Reich-Ranicki, der es einst nachdrücklich gelobt hat. Andere halten das Buch aber für einen der wichtigsten Romane der deutschen Nachkriegsliteratur. Und in den letzten Jahren wurde, wenn es um Spekulationen zum Literaturnobelpreis ging, neben Günter Grass auch ihr Name immer wieder genannt. "Sie ist des Nobelpreises würdig", meinte der Kritiker Fritz J. Raddatz. "Ich verlasse mich darauf, dass die Leser in meine Bücher schauen und sehen, dass ich keine Staatsschriftstellerin war", sagte die Georg-Büchner-Preisträgerin 1990. (wip/zeh)
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