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Keine Gewinner

Im Kulturpreis-Streit gibt es nur Verlierer

© Die Berliner Literaturkritik, 18.06.09

Von Friedemann Kohler

WIESBADEN (BLK) — Am Anfang stand eine Idee im toleranten Geiste von Lessings „Nathan der Weise“. Vertreter von Christentum, Judentum und Islam erhalten den Hessischen Kulturpreis 2009 für Verdienste um den interreligiösen Dialog. Doch anders als bei Lessing ist in dem Hessen-Drama kein glücklicher Ausgang abzusehen. Der Streit zwischen den Preisträgern und das unglückliche Agieren des Preiskuratoriums um Ministerpräsident Roland Koch (CDU) haben alle Beteiligten beschädigt.

Kardinal Karl Lehmann: Der Mainzer Kardinal, Preisträger von katholischer Seite, nahm Anstoß an einem Essay des muslimischen Schriftstellers und Mitpreisträgers Navid Kermani. Der hatte in einer Bildbetrachtung das christliche Kreuz zunächst als Gotteslästerung bezeichnet. Doch dann zeigte er sich dem Bild des gekreuzigten und wiederauferstandenen Christus so zugänglich, wie es einem Muslim möglich ist.

Lehmann musste sich deshalb Kritik des deutschen Feuilletons anhören, er verstehe keine intellektuellen Texte zu lesen. Die kolportierte Äußerung aus einem Brief Lehmanns, der 41 Jahre junge Kermani habe noch kein auszeichnungswürdiges Lebenswerk vorzuweisen, passt ebenfalls nicht recht zu dem umgänglichen Bischof.

Ex-Kirchenpräsident Peter Steinacker: Das frühere Oberhaupt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sprang Lehmann bei und fühlte sich ebenfalls verletzt in seinem Glauben. Deshalb traf den evangelischen Preisträger die gleiche öffentliche Kritik.

Navid Kermani: Mit bissigen Artikeln, als der Eklat öffentlich wurde, mit seiner Forderung, Koch solle sich schämen, hat sich Kermani in der Wiesbadener Staatskanzlei keine Freunde gemacht. Dafür steht das Feuilleton von „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ bis zur „Zeit“ an seiner Seite.

Ministerpräsident Roland Koch (CDU): Die gut gemeinte Preisverleihung ist dem Regierungschef zu einer „Staatsposse“ (so Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU)) geraten. Das von Koch geleitete Kuratorium hat sich für die beiden Kirchenführer und gegen Kermani entschieden.

Gleichzeitig ist Koch nun auf den guten Willen Kermanis angewiesen. Nur wenn dieser zu einem erhofften klärenden Gespräch mit den anderen Preisträgern bereit ist, besteht Hoffnung auf einen gesichtswahrenden Ausgang. Einstweilen ist Koch zum Schweigen verurteilt, auch wenn ihm dies bei einer Landtagssitzung am Donnerstag (18.06.) in Wiesbaden sichtlich schwer fiel.

Sein Stellvertreter Jörg-Uwe Hahn (FDP) übernahm es, die Alternative zu formulieren: Entweder alle vier Preisträger (auch Salomon Korn vom Zentralrat der Juden) einigen sich und nehmen den Preis an, oder die Verleihung wird für dieses Jahr abgesagt.

— Der Hessische Kulturpreis: Auch der Preis ist beschädigt. Die Frage ist, ob die einzelnen Kuratoriumsmitglieder, hochmögende Vertreter der Kulturszene, weitere Windungen in dem Fall mittragen. Und wenn im nächsten Jahr wieder weniger strittige Preisträger ausgewählt werden sollten, wird auch das den Hessischen Kulturpreis überschatten.

— Der Dialog der Religionen: Hat in dem Streit ganz verloren, weitere Projekte dieser Art sind erschwert. Dabei leben in Deutschland Christen und Muslime nebeneinander, sie wissen zu wenig über die Religion und Kultur des anderen. Ein Dialog wäre also bitter nötig.

Lessing lässt sein Drama aus der Zeit der Kreuzzüge um den Juden Nathan, einen christlichen Tempelherren und den Sultan Saladin versöhnlich ausgehen.


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