BERLIN/FRANKFURT/MAIN (BLK) - Der in Rumänien geborene Schriftsteller Ernest Wichner kann dem Lyriker Werner Söllner für dessen frühere Spitzel-Tätigkeit in Rumänien noch nicht vergeben. „Zum Verzeihen fehlt noch einiges“, sagte Wichner, Leiter des Literaturhauses in Berlin, am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Söllner habe ziemlich lange gebraucht, um seine Kooperation mit dem rumänischen Geheimdienst Securitate zuzugeben - und er habe dies auch nur „scheibchenweise getan“.
Söllner, heute Leiter des Hessischen Literaturforums in Frankfurt, hatte vergangene Woche in München auf einer Tagung eine öffentliche Erklärung über seine Kooperation mit der Securitate zwischen 1971 und 1974 abgegeben. Der Lyriker war damals nach eigenen Worten mit der Exmatrikulation von der Universität bedroht worden, wenn er nicht Informationen über die Literaturszene liefere.
Söllners damaliges Verhalten sei nicht so harmlos und banal gewesen, wie dieser es darstelle, sagte Wichner. Zwar könne er verstehen, wie jemand in jungen Jahren zum Informanten der Securitate werde. Andererseits hätten sehr viele wie etwa die Schriftstellerin Herta Müller den Forderungen des Geheimdienstes widerstanden. Die Literaturnobelpreisträgerin habe ihren Job in einer Fabrik verloren, weil sie sich geweigert habe, ausländische Mitarbeiter zu bespitzeln. (dpa/wer)