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„Penthesilea“ als Rockoper

Roger Vontobel inszenierte das Stück an manchen Stellen auffällig ambitioniert

© Die Berliner Literaturkritik, 11.06.10

Von Ulrich Fischer

RECKLINGHAUSEN (BLK) – „Kontinent Kleist im romantischen Meer“ lautet das Motto der Ruhrfestspiele in diesem Jahr. Fast alle Dramen des preußischen Junkers waren in Recklinghausen zu sehen. Zum Ende der Ruhrfestspiele inszenierte Roger Vontobel „Penthesilea“. Das Trauerspiel um die sagenhafte Amazonenkönigin bekam bei der Premiere am Donnerstagabend auf der großen Bühne des Festspielhauses begeisterten, langanhaltenden Beifall.

Die Vorschrift der Amazonen ist streng und eindeutig: Sie dürfen sich, um die Überlegenheit über die Männer zu wahren, nie verlieben. Genau das passiert Penthesilea. Die junge Königin gerät in einen Konflikt zwischen ihrem Gefühl und dem Gesetz. Vontobel aktualisiert das Stück, das Kleist in der Zeit des Trojanischen Kriegs ansiedelt, und mischt in seiner Inszenierung Elemente eines Konzerts ­ anfangs treten die Darsteller im Frack auf - mit der öffentlichen Aufzeichnung eines Hörspiels und einer Rockoper.

Rechts stehen zwei Musiker und das gesamte mit Mikrofonen ausgestatteten Ensemble. Der Toningenieur hat viel zu tun. Er ist sichtbar, den Musikern gegenüber, links auf der Bühne hinter seinen Schaltpulten platziert. Ein Teil des Publikums sitzt im Zuschauerraum, ein anderer auf der Bühne, so dass sich die Zuschauer in die Augen schauen. Gespielt wird auf der Vorderbühne und immer wieder auch im Parkett und im Rang. Offenbar wollten Regisseur Vontobel und seine Bühnenbildnerin Claudia Rohner den Eindruck unterstreichen, der zentrale Konflikt des Stück gehe alle an: Liebe und die Frage, wer wen beherrscht, vertragen sich nicht.

Aber nicht nur diese eher private Einsicht kam über die Rampe, zusätzlich auch noch eine staatspolitische. Vontobel warnt: Wer einen Krieg beginnt, erreicht selten das angestrebte Ziel. Am Ende steht in Recklinghausen Penthesilea, Hände, Arme und Mund blutbeschmiert, auf der Bühne, entgeistert, dass sie den Mann, den sie liebte, barbarisch zerfleischte, als der sich ihr arglos in bester Absicht näherte.

Jana Schulz hat Schwierigkeiten, Penthesileas starke Gefühle auszudrücken und Kleists komplizierte Verse meistert sie nicht immer. Oft spricht die junge, sympathische Aktrice zu schnell und opfert dem Gefühlsüberschwang die Verständlichkeit. Rein handwerkliche Schwächen werden umso deutlicher, da Penthesileas Antagonist, Achill, von Markus John souverän verkörpert wird. John macht glaubhaft, dass sein Achill bereit ist, seine männliche Überlegenheit der Liebe zu opfern ­ eine überzeugende Schauspielerleistung. John ist ein Star, der größte Teil des übrigen Ensembles blieb hinter seinen Leistungen zurück.

Penthesilea als Rockoper, überfrachtet mit Technik, die bei der Premiere auch nicht immer einwandfrei funktionierte ­ das ist ein verblüffendes Konzept. Doch die klare Botschaft ist, dass Herrschsucht und Liebe sich ausschließen, dass niemand hoffen darf, mit einem Krieg seine ursprünglich angestrebten Ziele zu erreichen. Das versöhnt mit der allzu originellen Verpackung, mit der der junge Regisseur offensichtlich auf sich aufmerksam machen und seinen Marktwert steigern möchte.

Die Aufführung, eine Koproduktion mit dem Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, wird in der nächsten Spielzeit in der Hansestadt in den Spielplan übernommen.

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Ruhrfestspiele

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Festspielhaus, Otto-Burrmeister-Allee 1, Recklinghausen


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