MÜNCHEN (BLK) – Im März 2010 hat Verlag Manesse Mark Twains Roman „Knallkopf Wilson“ herausgegeben.
Klappentext: Als sich der Jurist David Wilson in Dawson's Landing niederlässt, steht er rasch im Ruf, ein Knallkopf zu sein. Allzu suspekt erscheinen sein schottischer Humor, seine Ostküsten-Provenienz und die Vorliebe für ausgefallene Hobbies: Der kauzige Eigenbrötler sammelt Fingerabdrücke, praktiziert das Handlesen und brütet mit Vorliebe über Alltagsweisheiten für einen nach ihm benannten Almanach. Dabei fällt Wilson nur auf den ersten Blick aus dem Rahmen, tummeln sich in dem gemütlichen Städtchen bei näherer Betrachtung doch noch weitere originelle Gestalten: Roxy, die Sklavin mit der hellen Haut; Sohn Chambers und Ziehsohn Tom, die Roxy als Säuglinge absichtlich vertauscht hat, und die nun nichtsahnend sehr unterschiedliche Lebenswege einschlagen; nicht zu vergessen Angelo und Luigi Capello, die ominösen Zwillinge aus florentinischem Adel. Verwechslung, Rollentausch und Betrug bestimmen den Alltag der Herren und Sklaven in Dawson’s Landing, und am Ende geschieht gar ein Mord, bei dessen Aufklärung Knallkopf Wilson die Schlüsselrolle spielt.
Mark Twain (1835-1910) ist vor allem als Autor der Bücher über die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn bekannt. Er war ein Vertreter des amerikanischen Realismus und ist besonders wegen seiner humoristischen, von Lokalkolorit und genauen Beobachtungen des sozialen Verhaltens geprägten Erzählungen und aufgrund seiner scharfzüngigen Kritik an der amerikanischen Gesellschaft berühmt. In seinen Werken beschreibt er den alltäglichen Rassismus; seine Protagonisten durchschauen die Heuchelei und Verlogenheit der herrschenden Verhältnisse. (jos)
Leseprobe:
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Das Städtchen Dawson’s Landing, der Schauplatz der berichteten Ereignisse, liegt auf der Missouri-Seite des Mississippi, von St. Louis eine halbe Tagesreise mit dem Dampfer nach Süden.
Im Jahre 1830 war es eine schmucke kleine Ansammlung von bescheidenen ein- und zweistöckigen Holzhäusern, deren getünchte Wände hinter dem Rankengewirr von Kletterrosen, Geißblatt und Purpurwinde fast verschwanden. Jedes dieser hübschen Heime besaß einen Vorgarten, begrenzt von einem weißgestrichenen Lattenzaun, in dem Malven, Ringelblumen, Springkraut, Amarant und andere altmodische Blumen üppig blühten, während auf den Fensterbrettern Holzkästen mit Moosrosen standen und Töpfe, in denen Geranien mit ihrer kräftig roten Blütenfülle das vorherrschende Blassrot der rosenbedeckten Hausfront wie mit einer auflodernden Flamme belebten. Wenn auf den Fensterbrettern vor den Blumentöpfen und -kästen noch Platz für eine Katze blieb, so war die Katze – bei sonnigem Wetter – da, der Länge nach ausgestreckt in wohligem Schlummer, hatte den pelzigen Bauch der Sonne entgegengereckt und eine gebogene Pfote über der Nase. Dann war es das vollkommene Heim, und sein Behagen und sein Frieden wurden der Welt durch dieses Symbol, dessen Zeugnis untrüglich ist, kundgetan. Ein Heim ohne Katze – und zwar eine wohlgenährte, gutgepflegte und ordentlich verwöhnte Katze – mag zwar auch vollkommen sein, doch wo ist der Beweis?
Am Rand der gepflasterten Gehsteige säumten Robinien, deren Stämme durch Holzkästen geschützt waren, die Straßen. Diese Bäume spendeten im Sommer Schatten und im Frühling, wenn die Blütentrauben hervorkamen, süßen Duft. Die Hauptstraße, die einen Häuserblock vom Fluss entfernt lag und parallel zu ihm verlief, war die einzige Geschäftsstraße. Sie war sechs Häuserblocks lang, und in jedem Block überragten zwei oder drei massive dreistöckige Geschäfte ein Grüppchen kleiner, aus Holz gebauter Läden. Die ganze Straße entlang knarrten im Wind schaukelnde Aushängeschilder. Die bonbonbunt geringelte Stange, die entlang der von Palästen gesäumten Kanäle Venedigs auf stolzen alten Adel verweist, verwies auf der Hauptstraße von Dawson’s Landing nur auf den bescheidenen Friseursalon. An einer wichtigen Kreuzung stand ein hoher unbemalter Pfahl, der von oben bis unten mit Töpfen, Pfannen und Tassen aus Blech behängt war, die (bei windigem Wetter) lärmende Botschaft des Blechwarenhändlers an alle, dass sein Laden an jener Ecke auf Kundschaft wartete.
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Literaturangabe:
TWAIN, MARK: Knallkopf Wilson. Manesse Verlag, München 2010. 320 S., 19,95 €.
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