Berlin / (BLK - Gedichte sind nach Ansicht von Bundespräsident Horst Köhler „kleine Widerstandsnester gegen die riesige Flut an Sprachmüll, der uns täglich aus allen Medien entgegenkommt“. Die Sprache sei „in eine Art Überproduktionskrise geraten“, sagte Köhler am Montagabend bei der Eröffnung einer Festwoche zum zehnjährigen Bestehen des internationalen Internetprojektes „lyrikline.org“ in Berlin.
„Wir reden vom Kommunikations- und Informationszeitalter, in dem wir leben - aber oft kommt es uns so vor, als sei die Kommunikation noch nie so belanglos und als sei die Information noch nie so leer gewesen. Die Sender müssen ja rund um die Uhr senden und die Online- Dienste ihre Schlagzeilen möglichst stündlich ändern“, so Köhler. Insofern sei es „eine wunderbare List, dass durch lyrikline ausgerechnet im vielleicht geschwätzigsten Medium das gelesene Gedicht diese Unterbrechung, dieses Atemholen ermöglichen kann“.
Das habe sogar weltweite Wirkung und für diese Idee danke er besonders der Literaturwerkstatt Berlin, betonte das Staatsoberhaupt. Insofern freue er sich auch, aus diesem Anlass bei einer „kleinen radikalen Minderheit“ zu Gast sein zu dürfen. Das kulturelle Leben sei angewiesen „auf die kreativen Ideen der einzelnen, auf die schöpferischen Initiativen von Minderheiten“, betonte Köhler bei dem Festakt in der Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg.
Insgesamt sind 63 Dichter und Künstler aus 22 Ländern diese Woche (ab 26.10.) in der Hauptstadt zu Gast, die auch als eine „Hauptstadt der Autoren“ gilt. Auf lyrikline.org sind zurzeit 5500 Werke von über 600 Dichterinnen und Dichtern aus 50 Sprachen zu hören und zu lesen, mit Übersetzungen in 48 Sprachen.
lyrikline.org ist eine Initiative der Literaturwerkstatt Berlin und bietet die Stimme des Dichters ebenso wie das geschriebene und zu lesende Wort. Die Webseite macht gleichzeitig den Text im Original als auch in einer ständig wachsenden Anzahl von Übersetzungen zugänglich.
Weblink: