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Kriegsbeil oder Friedenspfeife – Streit um Karl-May-Nachlass

Verleger lehnt Angebot des Freistaats Sachsen ab

© Die Berliner Literaturkritik, 11.04.08

 

Von Christiane Raatz

DRESDEN (BLK) – Das Kriegsbeil ist ausgegraben: Am Donnerstag um Mitternacht ist die von dem Bamberger Verleger Lothar Schmid gesetzte Frist zum Verkauf des Karl-May-Nachlasses abgelaufen. Der Freistaat Sachsen hatte für das rund 10.000 Seiten umfassende Erbe 3,5 Millionen Euro geboten. Nach Einschätzung von Schmid ein grober Fehler. „Für uns ist das nicht annehmbar“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa am Freitag (11. April). Der Verleger hatte 15 Millionen Euro verlangt und sich dabei auf Schätzungen berufen. Demnach seien die Schriften Karl Mays 30 Millionen Euro wert, mit seinem Angebot wollte er dem Freistaat entgegenkommen – zu einem Schnäppchenpreis.

Das Kunstministerium zeigte sich überrascht von der Ablehnung. „Uns liegt bisher noch keine Aussage von Herrn Schmid vor“, so eine Sprecherin. Laut Gutachten des Landes sind die Schriften von Karl May etwa sieben Millionen Euro wert. „Unser Angebot ist das, was ich verantworten kann“, sagte Sachsens Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD). Ihren Vorschlag, eine Stiftung zu gründen, lehnt Schmid ab.

„Sachsen hat seine Chance nicht erkannt“, spielt der in Dresden geborene Verleger den Ball zurück. Der Nachlass gehöre einfach in die Heimat Karl Mays. Ratenzahlung oder die Halbierung des Archivs hat Schmid angeboten. Bisher liege laut Ministerium aber keine Bestandsliste vor. So wisse keiner, wie die Hälfte des Nachlasses aussehe.

Nun zieht Lothar Schmid eine Versteigerung in Betracht. Es gebe bereits zahlreiche private Interessenten. „Wir wollen aber vermeiden, dass die Stücke auseinandergerissen werden“, sagt der Verleger. Eine letzte Chance für die Friedenspfeife gibt es noch: Am 21. April kommt Schmid nach Dresden. Dann will er mit der Ministerin ein „freundliches Abschlussgespräch“ führen. Spielraum sieht er nur bei einer Ratenzahlung, mit dem Preis will er nicht heruntergehen.

Der literarische Nachlass des Radebeuler Abenteuerschriftstellers Karl May umfasst nach Angaben des Verlegers zehn Manuskripte mit handschriftlichen Anmerkungen von Karl May, darunter zu Romanen wie „Winnetou IV“ oder „Im Reich des silbernen Löwen“. Zudem sind mehr als 400 Gedichte, 90 Musikhandschriften, historische Ansichtskarten, 320 Briefe und sogar die Reisepässe erhalten.

Auch der Leiter des Radebeuler Karl-May-Museums ist enttäuscht: „Wir hätten die Schriften gern in einer Ausstellung gezeigt, für das Museum wäre es eine Bereicherung gewesen“, so René Wagner. Allerdings ist die „Villa Shatterhand“ auch so ein Wallfahrtsort für Fans: Rund 70.000 Besucher pilgern jedes Jahr zum Wohnhaus des Abenteuerschriftstellers, in dem er einen Großteil seiner Werke verfasst hat.

 

Hintergrund

Karl May – ein Schriftsteller der Superlative

HAMBURG (BLK) – Karl May (1842-1912) ist ein Schriftsteller der Superlative. Mit mehr als 100 Millionen verkauften Büchern ist der „Vater“ von Winnetou, Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi nach Angaben des Bamberger Karl May Verlags der meistgelesene Schriftsteller deutscher Sprache. Werden die Übersetzungen in rund 40 Sprachen dazu gezählt, sind es sogar 200 Millionen Bücher.

Insgesamt verfasste der berühmte Sachse aus Hohenstein-Ernstthal etwa 80 Werke. Allein die 1892 bis 1910 erstmals erschienenen „Karl May’s Gesammelte Reiseerzählungen“ umfassen 33 Bände. Das Interesse an seinen Abenteuerromanen ist ungebrochen, auch wenn die Auflage inzwischen zurückgegangen ist. Die bekanntesten Bücher „Der Schatz im Silbersee“ und „Winnetou I“ brachten es nach Verlagsangaben vor 20 Jahren noch auf etwa 20.000 verkaufte Exemplare jährlich. Heute seien es immerhin noch Jahr für Jahr jeweils 5.000.

Jedes Jahr besuchen rund 600.000 Besucher die verschiedenen Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg, Elspe und anderen Städten in Deutschland und Österreich. 1982 wurde in Radebeul bei Dresden in der „Villa Shatterhand“, wo der Schriftsteller von 1895 bis zu seinem Tod 1912 lebte, das Karl-May-Museum wiedereröffnet. In den ersten zwölf Monaten kam die Rekordzahl von mehr als 350.000 Besuchern. Jetzt zählt das Museum jährlich etwa 70.000 Gäste.

Karl-May-Geschichten wurden bereits in den 1920er Jahren erstmals im Radio erzählt, inzwischen liegen mehr als 300 deutschsprachige Hörspielbearbeitungen vor. Die Leinwand-Adaption seiner Werke begann mit einem Stummfilm 1920. Die Karl-May-Filme der 1960er Jahre mit Pierre Brice und Lex Barker sind die erfolgreichste Filmserie des deutschen Kinos. Allein den Streifen „Der Schatz im Silbersee“ sahen innerhalb von zwölf Monaten mehr als drei Millionen Menschen. Das Hauptthema der Filmmusik, die „Old-Shatterhand-Melodie“, wurde 100.000 Mal verkauft. Die Winnetou-Parodie „Der Schuh des Manitu“ von Michael Bully Herbig aus dem Jahr 2001 wurde mit fast 12 Millionen Besuchern zu einem der erfolgreichsten Filme des deutschen Kinos. (dpa/win)

 

Porträt

Karl May – ein Leben zwischen Zuchthaus und Orient

HAMBURG (BLK) – Karl Friedrich May wird am 25. Februar 1842 im sächsischen Ernstthal geboren. Er ist das fünfte von 14 Kindern einer Weberfamilie. Seine Arbeit als Lehrer endet 1861 schon nach wenigen Tagen, weil er wegen Diebstahls zu einer ersten Haftstrafe verurteilt wird. Bis 1874 sitzt May insgesamt acht Jahre wegen Betrugs, Hochstapelei und anderen Delikten hinter Gittern. Kurz nach Ende seiner letzten Zuchthausstrafe erscheint mit der „Rose von Ernstthal“ Mays erste Erzählung. In der Folge verdient er seinen Lebensunterhalt als Zeitungsredakteur. 1880 heiratet er Emma Pollmer.

In den folgenden acht Jahren arbeitet May an seinem Orientzyklus. Dazu gehören die Romane „Durch die Wüste“ und „Von Bagdad nach Stambul“. 1892 bringt die Veröffentlichung von „Karl May’s Gesammelten Reiserzählungen“ dem Autor erstmals Wohlstand. Ein Jahr später erscheint die „Winnetou“-Trilogie. 1895 erwirbt er die „Villa Shatterhand“ in Radebeul bei Dresden, das heutige Karl-May-Museum.

May schafft selbst die „Old-Shatterhand-Legende“, indem er wiederholt behauptet, die Abenteuer seiner mehr als 30 Bücher im „Wilden Westen“ und Orient selbst erlebt zu haben. 1899 und 1900 bereist er erstmals wirklich den Orient. Während seiner Abwesenheit werden ihm in einer Pressekampagne die Vorstrafen und Legenden-Lügen vorgeworfen. Daraus entstandene Gerichtsverfahren sollten ihn bis zum Tod begleiten. 1908 reist er mit seiner zweiten Frau Klara Plöhn in die USA. Am 30. März 1912 stirbt Karl May an einer Lungenkrankheit – wenige Tage nach einem umjubelten Vortrag vor 2.000 Zuhörern. (dpa /win)


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