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Kulturschatz von 1669

Einer der größten historischen Romane wird endlich lesbar

© Die Berliner Literaturkritik, 18.04.10

FRANKFURT/MAIN (BLK) – „Der Abenteuerliche Simplicissimus“ ist ein Schelmenroman von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, erschienen 1668, datiert auf 1669. Reinhard Kaiser hat diesen Kulturschatz  aus dem Deutschen des 17. Jahrhunderts brillant in die heutige Sprache übersetzt. Im November 2009 ist die Neuauflage im Eichborn Verlag erschienen.

Klappentext:  

Ein Weltbuch und Zeitbild, das nichts auslässt und auf der literarischen Klaviatur alle Register zum Klingen bringt. „Der abentheuerliche Simplicissimus Teutsch“, erstmals 1668/69 in Nürnberg gedruckt, ist der eine, ganz große Roman des deutschen Barock, das große Volksbuch der deutschen Literatur. Es hatte zu Lebzeiten von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen bahnbrechenden Erfolg, es gab mehrere Fortsetzungen und andere „simplicianische“ Schriften. Ein Roman über den Krieg und das Geld, über das Leben und Lieben, das Hauen und Stechen in einer verkehrten Welt, in der es drunter und drüber geht.

Hans Jakob Grimmelshausen wurde um 1622 in Gelnhausen (Hessen) geboren. Der Schriftsteller, der den 30-jährigen Krieg erlebte, gilt als einer der wichtigsten und bedeutendsten deutschen Erzähler des 17. Jahrhunderts. Er schrieb mit seinem „Simplicissimus“ den ersten deutschen Prosaroman von Weltgeltung. Neben diesem Hauptwerk schrieb er Moralsatiren, Streitschriften und Kalender- und Anekdotenbücher. Er heiratete 1649 Katharina Henninger in Offenburg.

Reinhard Kaiser, geboren 1950 in Viersen am Niederrhein, ist einer der brillantesten und angesehensten Übersetzer. Für seine Übertragung des „Simplicissimus“ aus dem Deutschen des 17. Jahrhunderts in eine allgemein verständliche Sprache, die in hervorragender Weise Rythmus, Ton und Geist des ursprünglichen Textes bewahrt, erhält Reinhard Kaiser den Grimmelshausen-Sonderpreis 2009. (wer/kum)

Leseprobe:

                                                              ©Eichborn Verlag©

Es zeigt sich in dieser unserer Zeit (von der man glaubt, dass es die letzte sei) unter gewöhnlichen Leuten eine Sucht, bei der die Patienten, wenn sie daran erkranken und so viel zusammengerafft und erschachert haben, dass sie, neben ein paar Hellern im Beutel, ein närrisches Kleid mit tausenderlei Seidenbändern nach der neuen Mode zur Schau tragen können oder glücklich auf eigenen Beinen stehen und sich einen Namen gemacht haben, sogleich auch Ritterherren und Adelspersonen von uraltem Geschlecht sein wollen. Dabei verhält es sich doch oft so, dass ihre Vorfahren Tagelöhner, Karrenzieher und Lastträger, ihre Vettern Eseltreiber, ihre Brüder Büttel und Schergen, ihre Schwestern Huren, ihre Mütter Kupplerinnen oder gar Hexen waren, kurz, dass ihr ganzes Geschlecht von allen zweiunddreißig Ahnen her genauso besudelt und befleckt gewesen ist wie des Zuckerbastels Diebeszunft in Prag.Ja, diese neuen Nobilisten sind oft selbst so schwarz, als wenn sie in Guinea geboren und erzogen worden wären.

Mit solchen närrischen Leuten möchte ich nicht in einen Topf geworfen werden, obwohl ich mir, um die Wahrheit zu bekennen, tatsächlich oft eingebildet habe, auch ich müsse von einem großen Herrn oder wenigstens einem einfachen Edelmann herstammen. Denn von Natur aus war ich immer geneigt, das Junkerhandwerk zu treiben, wenn ich nur das Geld und die Mittel dazu gehabt hätte. Und tatsächlich kann man mein Herkommen und meine Erziehung durchaus mit der eines Fürsten vergleichen, wenn man nur den großen Unterschied außer Acht lässt. Wie bitte?

Nun, mein Knan (so nennt man die Väter im Spessart) hatte einen eigenen Palast, so gut wie jeder andere und sogar noch schöner, als ein König ihn sich mit eigenen Händen je erbauen könnte. Der war mit Lehm verputzt, und statt mit unfruchtbarem Schiefer, kaltem Blei oder rotem Kupfer war er mit Stroh gedeckt, auf dessen Halmen das edle Getreide wächst. Um mit seinem Adel und Reichtum recht zu protzen, ließ mein Knan die Mauer um sein Schloss auch nicht mit Mauersteinen aufrichten, wie man sie am Weg findet oder an unfruchtbaren Orten aus der Erde gräbt, und erst recht nicht, wie es andere große Herren zu tun pflegen, mit kümmerlichen Backsteinen, die in kurzer Zeit verfertigt und gebrannt werden können; sondern er nahm dazu Eichenholz, von einem nützlichen, edlen Baum, auf dem Bratwürste und fette Schinken wachsen und der hundert Jahre braucht, bis er sich ausgewachsen hat. Wo ist der Monarch, der ihm solches nachtut?

                                                            ©Eichborn Verlag©

Literaturangabe:

VON GRIMMELHAUSEN, HANS JAKOB CRISTOFFEL: Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch. Aus dem Deutschen des 17. Jahrhunderts von Reinhard Kaiser. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2009. 768 S., 65 €.

Weblink:

Eichborn Verlag


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