Werbung

Werbung

Werbung

Kurz, schwer und durchkomponiert

Blasse Figuren und eine traurige Grundstimmung im neuen Buch von Don DeLillo

© Die Berliner Literaturkritik, 01.03.10

Von Thomas Borchert

Don DeLillo legt im Alter nur noch kurze Bücher vor. Und vielleicht gar keine Romane mehr, auch wenn er sie noch so nennt. Das neue Werk des 73-Jährigen, „Der Omega-Punkt“, ist insgesamt vermutlich kürzer als allein das legendäre Eröffnungskapitel seines Mammutwerkes „Underworld“ aus dem Jahr 1997. Hier fesselte die virtuose Schilderung des entscheidenden Schlags bei einem Baseball Match zwischen den Brooklyn Dodgers und den New York Giants als Auftakt zu einer atemberaubenden literarischen Reise durch die USA über vier Jahrzehnte. Im „Omega-Punkt“ bewegt sich DeLillo nur noch zwischen zwei geografischen Fixpunkten, dem New Yorker Museum of Modern Art und einer kalifornischen Wüste, reduziert seine Personengalerie auf drei Personen und lässt fast nichts mehr passieren.

Am Anfang steht eine Videoinstallation. Bei „24 Hour Psycho“ von Douglas Gordon wird der Hitchcock-Klassiker „Psycho“ so verlangsamt gezeigt, dass er 24 Stunden dauert. Das schaut sich auch der (wie DeLillo) 73-jährige Richard Elster an, der eine zeitlang die US-Regierung beim Irak-Krieg beraten hat. Über seine Eindrücke beim Betrachten von Psycho-Hauptdarsteller Anthony Perkins bei den extrem verlangsamten Stichen gegen Janeth Leigh unter der Dusche sagt er, es sei „als würde man dem Universum beim Sterben zusehen, über einen Zeitraum von ungefähr sieben Milliarden Jahren“. Dabei war er nur zehn Minuten in der Videoinstallation.

Elster hat sich in die kalifornische Sonora-Wüste zurückgezogen, wo ihn der junge Dokumentarfilmer Jim Finley dazu bewegen will, vor der Kamera und einer nackten Wand ohne zeitliche Begrenzung Gedanken auszusprechen. „Das wahre Leben findet statt, wenn wir allein sind, denken, fühlen, verloren in Erinnerungen, träumerisch unserer selbst bewusst, in submikroskopischen Momenten“, sagt der Ex-Pentagon-Vordenker. Auch zwischen ihm und dem Filmer passiert im Buch so gut wie nichts. Erst als Elsters Tochter plötzlich auftaucht und genauso plötzlich und Angst erregend wieder verschwindet, kommt ein Hauch von Handlung in die Geschichte.

Aber ist das überhaupt wichtig? DeLillo interessieren die komplexen Bezüge zwischen Zeit und Wahrnehmung. Wie Gordon bei „24 Hour Psycho“ manipuliert er sie erzählerisch herunter und produziert eher eine komplexe literarische Installation als einen Roman. Der „Omega-Punkt“, so wird erklärt, ist nach dem Jesuiten-Theologen Teilhard de Chardin der Punkt, an dem wir einen Zustand von innerer Überfüllung und Ermattung zugleich erreicht haben.

Die Lektüre dieses sorgsam durchkomponierten Büchleins mit bewusst blass gezeichneten Figuren und melancholischer Grundstimmung ist nicht leicht. Spannung kann sich nur erzeugen aus einer fast meditativen Beschäftigung mit dem Text. DeLillos sprachliche Kraft hilft, aber hin und wieder muss man sich doch über merkwürdig krumme Satzgebilde wundern: „Sie sagte, es verwirre sie, eine Rolltreppe zu betreten, die nicht funktionierte.“

 

Literaturangabe:

DELILLO, DON: Der Omega-Punkt. Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2010. 112 S., 16,95 €.

 

Weblink: Kiepenheuer & Witsch

 

 


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: