Vier neue Sachbücher zeigen uns diesen Herbst, wie man als Mensch Verantwortung für eine bessere Welt tragen kann:
W. Michael Blumenthal, In achtzig Jahren um die Welt - Mein Leben, 576 Seiten, 24,95 Euro, ISBN 978-3-549-07374-2.
Er musste als jüdischer Kaufmannssohn vor den Nazis fliehen, diente später in den USA drei Präsidenten und baute von 1997 an das Jüdische Museum in Berlin zu einer renommierten Institution aus: W. Michael Blumenthals Leben ist Zeitgeschichte. In seinen Memoiren „In achtzig Jahren um die Welt“ schildert der heute 84-Jährige seinen ungewöhnlichen Werdegang.
„Die Furcht vor Willkür und Ungerechtigkeit hat mich stark beeinflusst“, sagt Blumenthal. 1939 musste der Junge mit seiner Familie von Berlin nach Shanghai fliehen und emigrierte 1947 in die USA. Zunächst als Wissenschaftler und Manager tätig, wurde er wirtschaftspolitischer Berater bei den US-Präsidenten Kennedy und Johnson. Jimmy Carter berief ihn zum Finanzminister. Im Ruhestand kehrte er als Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in seine Heimatstadt Berlin zurück. „Mein Leben und das 20. Jahrhundert sind sehr vermischt“, sagt Blumenthal - und belegt es in seinem Buch mit jeder Zeile.
Tom Segev: Simon Wiesenthal. Die Biografie, Siedler Verlag, München, 576 Seiten, 29,95 Euro, ISBN 978-3-8868-0858-0.
Die Suche nach Gerechtigkeit für Millionen unschuldig Ermordeter hat Simon Wiesenthal (1908-2005) sich in dem Moment zur Lebensaufgabe gemacht, als er 1945 aus dem KZ Mauthausen gerettet wurde. Die faszinierende Geschichte des „Nazi-Jägers“, wie ihn die einen anerkennend, die anderen ablehnend nannten, hat der israelische Historiker und Journalist Tom Segev in einer umfangreichen Biografie zusammengefasst. Das Buch „Simon Wiesenthal“ basiert auf zahlreichen Quellen, Briefen, Geheimdienstdossiers und anderen Dokumenten. Es beschreibt, wie der in der heutigen Ukraine geborene und in Wien gestorbene Zeitzeuge des Holocaust atemberaubende Aktionen startete, um untergetauchte Nazis aufzuspüren. So fand er heraus, dass sich SS-Obersturmbannführer Karl Adolf Eichmann in Argentinien aufhielt. Segev hat aber auch zahlreiche unbekannte Fakten aus dem Leben jenes Mannes entdeckt, der Zeit seines Lebens als Held wie als unversöhnlicher Störenfried angesehen wurde.
Michael Schellberg/Moritz Freiherr Knigge: Mit Rückgrat steht man besser. Die Welt, das Leben und was mich das alles angeht, Luebbe Verlag, Köln, 349 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-7857-2409-5.
Erst haben die Unternehmensberater Moritz Freiherr Knigge und Michael Schellberg „Spielregeln“ für den Umgang miteinander aufgestellt, jetzt zeigen sie in ihrem neuen Ratgeber „Mit Rückgrat steht man besser“ die Verantwortlichkeit jedes Einzelnen für die Zustände in der Welt auf. An konkreten Beispielen demonstrieren die beiden Autoren, wie jeder seiner Verantwortung in einer unüberschaubaren Welt gerecht werden kann. Der „Kunst, es nicht gewesen zu sein“ - also den eigenen Anteil an gesellschaftlichen Problemen abzustreiten - setzen sie die „Kunst, es gewesen zu sein“ entgegen. Einen ersten Schritt aus der „Mir-doch-egal-Gesellschaft“ sehen Knigge und Schellberg im ehrlichen Umgang mit sich selbst: „Wir wollen Geld, Dominanz, Status quo, Fernsehen oder Sitzplätze, und das sollten wir uns bewusst machen.“
Linda Polman: Die Mitleidsindustrie. Hinter den Kulissen internationaler Hilfsorganisationen, Campus Verlag, Frankfurt, 264 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-5933-9233-2.
Linda Polmans Buch „Die Mitleidsindustrie“ wirft die grundsätzliche Frage auf, ob Nothilfe wirklich immer Leid mildert oder Krieg und Gewalt noch verlängert. Die in den Niederlanden lebende Journalistin hat selbst viele Jahre als Korrespondentin bei den Truppen der UN-Friedensmission in Somalia, Haiti, Ruanda und Sierra Leone gearbeitet und dabei mehr als einen Blick hinter die Kulissen internationaler Hilfsorganisationen werfen können. Das Dilemma der Nothilfe offenbart sich aus ihrer Sicht heute mehr denn je. Denn gewaltsame Konflikte fordern immer mehr Zivilopfer, und fast alle Kriege in der Welt sind Bürgerkriege. Allzu oft gelange die gut gemeinte Hilfe in falsche Hände. Polman plädiert dafür, das Hilfssystem nicht vor Kritik zu bewahren, „denn es läuft zu vieles falsch“. (gil/mas)