Nach einer Handvoll edierter Jünger-Briefwechsel steht fest: Bekannte Korrespondenzpartner verbürgen noch keine interessanten Gespräche. Letztes Jahr enttäuschte die Korrespondenz zwischen Jünger und Benn, zwei Meistern des kalten Blicks, die aber auf Distanz blieben und Belanglosigkeiten auswechselten. Jetzt folgt die Konstellation Jünger-Andres und langweilt durch – Harmonie!
Der schmale Band enthält 62 Briefe aus den Jahren 1937 bis 1970 sowie einige Tagebuchnotizen Jüngers und somit schon alles, was diese Literatenfreundschaft ausmachte. Es war Stefan Andres (1906-1970), der 1937 Ernst Jünger (1895-1998) anschrieb „nicht als Schüler, nicht als Verehrer“, sondern wegen des „menschlich Einigende[n]“. Also kein Jünger-Jünger wie zeitweise Gerhard Nebel oder ideologischer Kamerad wie, wieder zeitweise, Carl Schmitt (1888-1985). In deren Briefwechseln mit Jünger finden sich Reibungen, Streit und schließlich der offene Bruch, die es zwischen Andres und Jünger nicht gab.
Das „menschlich Einigende“ erklärt, warum die beiden so unterschiedlich sozialisierten Männer eine so beständige Freundschaft pflegten. Man schickte einander die eigenen Bücher, besprach immer wieder gegenseitige Besuche und diskutierte nach dem Krieg mögliche Verlage für Jüngers Rückkehr an die Öffentlichkeit. Andres machte sich zu einem der wenigen politisch korrekten Apologeten im so genannten „Jünger Fall“ nach 1945. In ihm wurde der ambivalente Jünger stellvertretend für die deutsche Lage vier Jahre lang von der west- und ostdeutschen Presse heiß diskutiert, und die positiven Artikel Andres‘, der 1937 wegen seiner jüdischen Frau emigriert war, werden ihm nützlich gewesen sein.
In den Briefen jedoch spielen Zeitgeschehen und Politik keine große Rolle. Zwar kommentiert Andres gelegentlich ausführlich die politische Lage im Nachkriegseuropa, so einige absurde Folgen der Entnazifizierung, Jünger geht darauf aber kaum ein und bringt selbst keine politischen Themen ein. Auch in die eigene Arbeit gewährt er dem Kollegen keine tieferen Einblicke, obgleich Andres sich intensiv mit Jüngers Werken auseinandersetzt. Folglich plätschert die Korrespondenz meist vor sich hin und es fällt kaum auf, dass sie zwischen 1950 und 1960 aussetzt. Vielleicht gab es ja bei aller Harmonie einfach nicht genug zu sagen?
Von Thomas Hajduk
Literaturangaben:
ANDRES, STEFAN / JÜNGER, ERNST: Briefwechsel. Briefe 1937-1970. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort von Günther Nicolin. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2007. 184 S., 21,50 €.
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