BERLIN (BLK) - Der französische Autor und Filmregisseur Claude Lanzmann ist am Montagabend (13.9) in Berlin bei der Vorstellung seiner Memoiren stürmisch gefeiert worden. Der 1925 geborene Lanzmann las einige Passagen aus dem in diesen Tagen erschienenen Buch „Der patagonische Hase“ in seiner Muttersprache, der Schauspieler Peter Fitz trug die deutschen Übersetzungen vor. Im Publikum, das den sichtlich bewegten Lanzmann mit Ovationen ehrte, war auch der ungarische Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz, der in seinem „Roman eines Schicksallosen“ den Lageralltag eines erst 15-jährigen KZ-Insassen im Zweiten Weltkrieg schildert.
Lanzmann wurde weltberühmt durch seine Dokumentarfilme, vor allem mit dem epochalen, neunstündigen Film „Shoah“ von 1985 mit Interviews von Zeitzeugen über ihre Erinnerungen an den Holocaust und die Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten mit den Konzentrationslagern, im Film am Beispiel von Treblinka. Der Film wurde auch auf der Berlinale gezeigt und erregte danach internationale Aufmerksamkeit.
Lanzmann hat nach seinen Worten zwölf Jahre an dem Film gearbeitet und sich lange davor gescheut, nach Polen an den Ort des unfassbaren Geschehens zu reisen. „Ich musste mich regelrecht überwinden, aber die Reise wurde dann schließlich der Zünder an der Bombe meiner Recherchearbeiten“, meinte Lanzmann. „Der rote Faden meines Lebens sind der Mut und die Angst“, sagte Lanzmann in dem früheren Brecht-Theater am Schiffbauerdamm, das heute von Claus Peymann geleitet wird.
Lanzmann hat 1948/49 zur Zeit der Blockade West-Berlins als Lektor an der neu gegründeten Freien Universität Berlin und im Französischen Kulturzentrum im Westen der Stadt gearbeitet und in der Zeit im französisch besetzten Sektor in Frohnau im Norden Berlins gewohnt. Darin erinnert er sich auch in den an diesem Abend von ihm vorgetragenen Passagen seiner Memoiren. „Ich liebte und liebe Berlin noch immer, und ich werde mit dem Rätsel, das die Ex-Hauptstadt des Reiches und heutige Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschland für mich darstellt, niemals an ein Ende kommen.“
Hier habe der Name der einstigen Prinz-Albrecht-Straße in unmittelbarer Umgebung der Zentralen von SS und Gestapo zu ihm gesprochen, der heutigen Dokumentationsstätte „Topographie des Terrors“. Er habe verstanden, betonte Lanzmann, „dass Berlin eine Stadt ohnegleichen ist, weil man quer durch die urbane Landschaft die gesamte Vergangenheit unserer Zeit wie in geologischen Querschnitten entziffern und ihre verschiedenen Schichten bestimmen kann - das kaiserliche Berlin, das wilhelminische Berlin, das Nazi-Berlin, das Berlin der Alliierten, das rote, kommunistische Berlin -, Strata (geologische Formationen), die nebeneinander bestehen, sich verbinden, zu etwas für die Geschichte des 20. Jahrhunderts Einzigartigem verschmelzen.“ (dpa/kor/wil)
BLK-Notizblock:
* Internet
* Orte
Berliner Ensemble, Bertolt-Brecht-Platz 1, 10117 Berlin