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Leben, wie man schreibt

Über den legendären Ernest Hemingway

© Die Berliner Literaturkritik, 02.08.11

HEMINGWAY, MARIEL: Ernest Hemingway - Sein Leben in Bildern und Dokumenten. Mit Textbeiträgen von Boris Vejdovsky. Aus dem Französischen von Alwin Letzkus. Edition Olms, Zürich 2011. 208 S., 49,95 €.

Von Stephanie Schick

Den Namen Ernest Hemingway kennt jeder, ohne dabei unbedingt zu wissen, dass es sich um einen Pulitzer- und Literaturnobelpreisträger handelt. Hemingway genießt Kultstatus! Schließlich wurden nicht umsonst Cocktails und Bars nach ihm benannt!

Von den über zwanzig Romanen, die Hemingway verfasst hat, sind viele verfilmt worden – „Wem die Stunde schlägt“ mit Gary Cooper und Ingrid Bergmann in den Hauptrollen ist nur ein Beispiel. Die meisten Menschen kennen „Der alte Mann und das Meer“. Auf einen der bekanntesten Fotografien, die von Ernest Hemingway kursieren, sieht er selbst wie ein alter, bärtiger Fischer aus. Längst haben all diese Romane und Romanverfilmungen denselben Kultstatus wie ihr Schöpfer erlangt. Doch wie entstand dieser Ruhm? Weshalb hat eigentlich jeder schon einmal den Namen „Hemingway“ gehört, obwohl sich doch dieser Tage sein Tod schon zum fünfzigsten Mal jährt?

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Vielleicht liegt es ja an seinem tragischen Ende, dem Freitod infolge großer Depressionen, Paranoia und Alkoholsucht. Insgesamt fünf Familienmitglieder der Hemingways begingen Selbstmord. Man mixe also Verschwörungstheorien mit Desperadoimage und kreiere einen Mythos!

Doch das Buch, das nun seine Enkelin – Mariel Hemingway – herausgibt, spürt genau dieser Ausgangsfrage nach. Mit vielen aussagekräftigen Dokumenten und Fotografien puzzelt sie in Gemeinschaftsarbeit mit dem Literaturwissenschaftler Boris Vejdovsky, der die Texte beisteuert, die Lebensgeschichte ihres Großvaters akribisch zusammen. Der Leser wohnt der Entstehung der Marke „Hemingway“ bei. Offensichtlich hat dieser sein Image nicht dem Zufall überlassen, sondern stets an einem vorteilhaften Selbstbild gearbeitet. Als der kraftstrotzende, potente Kerl, den wir flugs vor Augen haben, wenn wir Hemingway hören, hat er sich selbst inszeniert.

Dabei  begann alles mit einer recht normalen Kindheit im Mittelwesten der USA. Hemingway erblickte in einem Vorort Chicagos das Licht der Welt. Das Abenteuerherz, das in seiner Brust schlug, fand hier schon alles, was es begehrte: wilde Natur, Indianer, man angelte und jagte den lieben, langen Tag. Daraus entstanden Passionen, denen er ein Leben lang frönte. Als Hochseeangler und Großwildjäger liebte er typisch männliche Freizeitaktivitäten – auch das passte ins Bild!

Als Achtzehnjähriger zog Hemingway freiwillig in den Ersten Weltkrieg und half als Sanitäter an der österreichisch-italienischen Grenze. Von einem Granatsplitter schwer verletzt wurde er in ein spanisches Lazarett gebracht. Hier wurzeln zwei weitere große Passionen Hemingways: Spanien und Frauen. Beide spielten für sein Image eine enorme Rolle. Zum Einen avancierte Hemingway bald zum Stierkampffanatiker. Sein Interesse für Tod und Ästhetik, das man durchaus in seinen Romanen nachempfinden kann, fand hier zur besonderen Symbiose. Hemingway wurde nicht nur intimer Kenner der Stierkämpfe, sondern pflegte auch persönlichen Kontakt zu den größten Stierkämpfern der damaligen Zeit: Dominguín und Ordóñez. Die in diesem Brauch kulminierende Potenz dürfte Hemingway ebenfalls imponiert haben. Seit seinem spanischen Lazarettaufenthalt reihte sich eine Ehefrau an die nächste.

Im Ersten Weltkrieg beginnt er neben seiner Arbeit als Sanitäter auch die Kriegsberichterstattung. Er wird später immer wieder aus Krisengebieten berichten und dabei vor allem als Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg zu Ruhm gelangen. Man ahnt hier bereits, dass sich Leben und Schreiben für Ernest Hemingway nicht unterscheiden. Er schreibt über alles, was er erlebt und er lebt so, wie er es später gern schreiben würde. Diese Strategie funktioniert über viele Dekaden hinweg einwandfrei. Hier eine Safari am Fuße des Kilimandscharo, dort eine Menage-à-trois mit einem Filmstar. Das alles passte und fügte sich in Hemingways Lebens- und Schreibstil. Allerdings konnte dieses waghalsige, exzessive Leben nicht lange ohne Gebrauchsspuren bleiben. Der übermäßige Alkoholgenuss zehrte an ihm, wie auch seine Kriegsverletzungen und zwei Flugzeugabstürze. Dies alles überlebte Hemingway, doch die Angst vor dem weißen Blatt lähmte ihn. Für einen Menschen, dessen Leben im Schreiben wurzelt, kommt eine Schreibblockade dem Tod gleich. Die Arbeit an „Paris – Ein Fest fürs Leben“ raubte ihm Kraft und ließ ihn verzweifeln. Schließlich erscheint dieser letzte Roman posthum und trägt somit seinen Teil zur Legende bei.

Alles in allem handelt es sich bei diesem Band aber keineswegs um Götzenverehrung, sondern um eine schöne, vollständige Retrospektive auf ein fulminantes Künstlerleben.

Weblink Edition Olms


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