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Lebensgeschichten aus einem einst geteilten Land

Christhard Läpples neues Buch: „Verrat verjährt nicht“

© Die Berliner Literaturkritik, 11.09.08

 

Von Jutta Schütz

Vertrauen, Verrat, Schuld oder Anstand? Es sind große Fragen, die Autor Christhard Läpple in seinem Buch „Verrat verjährt nicht. Lebensgeschichten aus einem einst geteilten Land“ aufwirft. Der ZDF-Fernsehjournalist erzählt über sechs Menschen, die mit der DDR-Staatssicherheit zu tun hatten, sie kommen selbst zu Wort mit ihrer Sicht auf die Vergangenheit. Einige der früheren Stasi-Leute haben erstmals ihr Schweigen gebrochen. „Dieses Buch will nicht auf- oder abrechnen, diffamieren oder verharmlosen“, schreibt Läpple im Vorwort. 19 Jahre nach dem Mauerfall sei die Zeit vielmehr reif für einen unverstellten Blick – nicht die Stasi-Papierberge seien das Problem – „sondern unser Umgang damit“. Das im Hoffmann und Campe Verlag (Hamburg) erschienene Buch soll am 11. September in Berlin öffentlich präsentiert werden.

Läpple sucht nach Antworten, bezieht dabei Familiengeschichten mit ein. In dem Kapitel über den „Flüsterer aus Weimar“ wird beschrieben, warum ein ehrgeiziger Museumsmann Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit wurde. Aus Pflichtbewusstsein habe er sich anwerben lassen, wird der einst jüngste DDR-Museumsdirektor zitiert. So habe er auf Staatskosten studieren können. Läpple kommt zu einem anderen Schluss, nachdem er monatelang um Gespräche mit dem Stasi-Zuträger gerungen hatte. „Wie ein Drogenabhängiger sucht er ständig den Stoff: Anerkennung und Teilhabe an der Macht“, heißt es über die Vergangenheit des Mannes. Die Namen der Befragten in dem Buch sind Pseudonyme, „aber nichts ist erfunden“.

Der Mittfünziger sieht sich bis heute nicht als Spion. Er spricht vielmehr von einer „Dienstleistung im Rahmen der Geheimdiplomatie“. Mit Hilfe des „Flüsterers“ drang die Stasi aber immer stärker in das Leben eines ZDF-Korrespondenten in den 80er Jahren in Ost-Berlin ein. Der Journalist habe keinen Verdacht geschöpft und die Freundschaft mit dem Kunstbeflissenen nicht infrage gestellt, hieß es. In die „Sache“ sei er eben so reingerutscht, sagt der „Flüsterer“. Wenn diese „verdammte Akte“ nicht aufgetaucht wäre, hätte er im vereinten Deutschland Führungspositionen übernehmen können.

19 Jahre nach dem Mauerfall konstatiert Autor Läpple: Die Stasi sei zwar entmachtet, doch ihr Gift und ihre Lügen wirkten weiter. Doch das Phänomen Verrat sei juristisch nicht zu bewältigen. Ihm sei aufgefallen, dass viele Verstrickte innere Widersprüche durchlebten, dass sie manchmal sogar beides waren: Verräter und Verratener, Freund und Feind des Systems. Mehr als eine halbe Million Informanten aus Ost und West spionierten für die Stasi, bis zu 4.000 allein im Westen.

Die Lebensgeschichten der sechs Ostdeutschen wurden laut Verlag aus rund 1.000 Biografien ausgewählt, die für die ZDF-Dokumentation „Die Feindzentrale“ (2006) erarbeitet wurden. In der zweiteiligen Serie von Läpple wurde gezeigt, wie die Stasi den Fernsehsender zu beeinflussen versuchte. Der stellvertretende Redaktionsleiter von Aspekte hat massenweise Stasi-Akten gesichtet, Gespräche geführt und Zeitzeugenprotokolle studiert.

So stieß er auch auf die Geschichte von „Bruder und Schwester“. Nach der Wende stellte sich heraus, dass der Mann seine in den Westen geflüchtete Schwester später in Ost-Berlin im Auftrag der Stasi traf – weil sie „Welten trennten“. Ein Verfahren gegen ihn wurde eingestellt – das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass Spionage für das eigene Land nicht strafbar sei. In dem Buch sagt der Mann, dass er keinem Menschen mehr vertrauen könne.

Auch „Die Rebellin aus Berlin“ löst Betroffenheit aus. Die Frau hatte 1978 ihren ganzen Mut zusammengerafft und sich an das ZDF-Büro in Ost-Berlin gewandt. Doch ihre Belege zu Vetternwirtschaft und bevorzugter Versorgung von SED-Funktionären wurden dort ebensowenig verwendet wie ihre geschriebenen Geschichten über den DDR-Alltag. Dennoch spürte die Stasi die Frau in der Operation „Konsum“ auf. In der Untersuchungshaft war der Stasi-Vernehmer ihr einziger Gesprächskontakt. „Kerstin“ gibt heute zu Protokoll, er sei einfühlsam gewesen, es sei eine „gewisse Vertrautheit“ entstanden. Doch er sorgte mit dafür, dass sie zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde – wegen staatsfeindlicher Hetze. In dem Buch sagt sie, sie habe eigentlich nur Veränderungen gewollt, erst im Gefängnis habe sie Hass auf die DDR bekommen. Es gebe Tage, da wolle die Frau nur noch vergessen, schreibt Läpple.

Literaturangaben:
LÄPPLE, CHRISTHARD: Verrat verjährt nicht. Lebensgeschichten aus einem einst geteilten Land. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008. 320 S., 19,95 €.

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