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Leipziger Buchpreis für Clemens J. Setz

Top-Preis für den 28 Jährigen Österreicher

© Die Berliner Literaturkritik, 21.03.11

LEIPZIG (BLK) - Der junge Schriftsteller Clemens J. Setz ist mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik ausgezeichnet worden. Der erst 28 Jahre alte Österreicher erhielt die mit 15 000 Euro dotierte Ehrung für seinen Erzählband „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ (Suhrkamp). In der Kategorie Sachbuch/Essayistik wurde Henning Ritter für „Notizhefte“ (Berlin Verlag) geehrt. Die Auszeichnung für die beste Übersetzung ging an Barbara Conrad, die Leo Tolstois „Krieg und Frieden“ (Carl Hanser Verlag) ins Deutsche übertrug. Nominiert waren jeweils fünf Autoren pro Kategorie.

“Den Ausschlag gaben die Kühnheit der Konstruktion, die Eigenwilligkeit der Sprache und die Konsequenz des Konzepts, das zu gleichermaßen originellen wie unheimlichen Geschichten führte“, heißt es in der Begründung der Jury zum Preisträger Setz. Der junge Österreicher wurde schon mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Literaturpreis der Stadt Bremen. „Ich bin aufgeregt. Ich zittere“, sagte er bei der Preisverleihung.

Ritters „Notizhefte“ sind ein Gespräch zwischen unabhängigen Köpfen von der Aufklärung bis heute, etwa Montaigne, Nietzsche und Darwin. Der 1943 geborene ehemalige Leiter des Ressorts Geisteswissenschaften der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ biete darin „Gelehrsamkeit auf eine leichte Art präsentiert, anmutig, freundlich, nie grimmig, sondern in der Form des Aphorismus, der Reflexion, des Kurzessays“, lobte die Jury.

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Die Übersetzung von „Krieg und Frieden“ sei eine enorme Leistung an Energie und Ausdauer, lobten die Juroren die Arbeit der Preisträgerin Conrad. „Sie ist überdies ein Meisterwerk der Sprachkunst und übertrifft, nach Meinung der Jury, alle ihre Vorgänger.“ Die Übersetzerin wurde 1937 in Heidelberg geboren. (jjr/dpa)

Weblink: Leipziger Buchmesse

Interview:

Clemens J. Setz lockt den Leser „in ein Labyrinth aus Zärtlichkeit, Gewalt, Liebe und Gemeinheit“. So formulierte es die Jury, die dem erst 28-jährigen Österreicher den begehrten Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse für seinen Erzählband „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ verlieh. Der Nachrichtenagentur dpa verriet Setz, wie seine Geschichten entstehen.

Macht so ein Preis es schwerer, sich ans nächste Buch zu wagen?

Setz: „In der Logik des Literaturbetriebs verändert sich die Erwartung für das nächste Buch wohl schon. Das beeinflusst vielleicht meine Entscheidung bei der Auswahl, was ich als nächstes veröffentlichen soll, aber nicht das Schreiben. Das Schreiben ist in der Früh - eine völlig andere Welt. Und das funktioniert auch nur so.“

Eine Auszeichnung für Erzählungen ist selten. Waren Sie überrascht?

Setz: „Ich war körperlich überrascht, ich wusste gar nicht genau, was ich denken soll. Klar ist es schön, dass sie mich ausgewählt haben. Aber ich hatte ziemlich fest damit gerechnet, dass es andere Bücher werden. Ich habe die anderen ja alle gelesen und war so begeistert von manchen, dass ich gedacht habe, das muss es doch werden. Besonders gefallen hat mir Wolfgang Herrndorfs "Tschick", das war einfach unglaublich gut.“

Sind Sie selbst so ein dunkler Typ wie Ihre Geschichten?

Setz: „Ich weiß gar nicht, ob die Geschichten dunkel sind. Sie sind doch nicht nur dunkel, sie sind manchmal auch hell und freundlich, manchmal beides. Es sind manchmal sehr freundliche Menschen, die einem gar nix Böses wollen und dann doch etwas ganz Grauenhaftes tun. Ich fühle mich jedenfalls nicht besonders vereinsamt oder von grausamen Fantasien geplagt.“

Woraus entstehen Ihre Geschichten?

Setz: „Entweder sehe ich etwas in der Außenwelt oder mir fällt eine Szene, ein Bild ein und dann weiß ich, dass das irgendetwas bedeutet. Dann ist es mir ein ganz elementares, körperliches Bedürfnis, da reinzugehen, zu erfahren, was dahintersteckt. Manchmal müssen dann auch Dinge freigelegt werden. Dann muss man auch mal über die Realität hinwegschauen und sehen, was in einem zu fantastischen oder übernatürlichen Dingen neigenden Universum passiert.“

Arbeiten Sie schon an einem neuen Buch?

Setz: „Ja, sogar an zweien. Das eine ist ein kürzerer Roman, so 250 Seiten oder so, aber ich verrate nicht so gern, worum es geht. Und das andere ist ein Projekt, da arbeite ich schon drei, vier Jahre dran und ich werde wahrscheinlich noch ein paar Jahre brauchen. Das wird richtig lang, tausend Seiten oder so, mal sehen. Um zu verstehen, warum es geht, müsste ich stundenlang reden. Ich möchte das lieber unbestimmt lassen.“

Warum sind Sie nicht wie geplant Lehrer geworden?

Setz: „Ich bin nicht begabt als Lehrer. Unser System ist sinnlos, dass man erst am Ende des Studiums in die Schule geht, man müsste das gleich zu Anfang ausprobieren können. Ich habe mehrere Defekte, die ein Lehrer nicht haben sollte. Ein Defekt ist, dass es mir wirklich egal ist, ob jemand zum Beispiel Integralrechnung verstanden hat, das ist für mich nicht wichtig. Ich finde es fast obszön, Schüler darauf zu trimmen, dass sie am Schluss alle dasselbe können. Das hat mit persönlicher Entfaltung nichts mehr zu tun.“

Stimmt es, dass Sie Tinnitus haben, ein Dauergeräusch im Ohr?

Setz: „Ich habe das jetzt seit 12, 13 Jahren. Und nach so langer Zeit entscheidet sich das Gehirn irgendwann, das Geräusch nicht mehr interessant zu finden. Meinem Gehirn ist das inzwischen so gleichgültig wie Verkehrsrauschen oder das Geräusch der Heizung im Winter. Aber das hat lange gedauert. Es ist wirklich eine schlimme Sache. Ich war schon nah am Selbstmord deswegen. Aber Gottseidank bin ich drüber hinweg.“


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